Freitag, 30. März 2018

Prinz Birabongse – Rennfahrer aus königlichem Hause

Zwei Tage vor Weihnachten 1985 sahen Passanten am Barons Court in London einen älteren Herrn zu Boden sinken. Ein zu Hilfe gerufener Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen, vermutlich durch einen plötzlichen Herzinfarkt. Die Weihnachtseinkäufer ahnten nicht, dass er ein Mitglied der thailändischen Königsfamilie war, und ein Teil der Formel-1 Geschichte.

Sein voller Name war Prinz Birabongse Bhanudej Bhanubandh พีรพงศ์ภาณุเดช aus Thailand und er hatte einen einzigartigen Anspruch auf sportlichen Ruhm: Der Prinz gehörte zu den Fahrern, die 1950 das erste Formel-1-WM-Rennen in Silverstone starteten. Er war der erste und einzige Grand-Prix und Formel-1 Fahrer aus Siam, dem heutigen Thailand, überhaupt. Daß ihm heutzutage viele Fahrer auf den Strassen Thailands nacheifern, ist nicht seine Schuld, die meisten werden seinen Namen überhaupt nicht kennen. In Pattaya hat man ihm zu Ehren die Rennstrecke Bira Circuit benannt, aber eigentlich ist ja jede Strasse in Thailand eine Rennstrecke....

Prinz Birabongse im Juli 1914 in Thailand (damals Siam) geboren, sein Vater war Prinz Bhanurangsi Savangwongse, der Begründer des thailändischen Postwesens, sein Großvater war König Mongkut, Rama IV. Im Rennsport benutzte der Prinz nicht seinen seinen vollen Namen sondern ein schlichtes B.Bira. Prinz Birabongse wurde 1927 nach Europa geschickt, um seine Ausbildung in England am Eton College zu vervollständigen, seine Mutter war schon früh verstorben, nun starb auch sein Vater und er war mit 13 Jahren Waise. Die königliche Familie daheim entschied, dass Biras älterer Cousin Prinz Chula Chakrabongse, sein Mentor und Vormund in England werden sollte.

Wie Bira lebte Chula in Großbritannien. Seine Mutter war Ukrainerin, er hatte während seiner Jugend
in Russland gelebt und war als Teenager nach England gezogen, um in Harrow zu studieren. 1938 heirateten die beiden Cousins ​​englische Frauen: Prinz Bira heiratete Ceril Heycock, Prinz Chula
heiratete Elizabeth Hunter. Automobilsport war in der gehobenen englischen Gesellschaft zu jener Zeit en vogue, und so war auch Prinz Bira von Autos fasziniert. Es heißt, dass sein Interesse begann, als er als Kind auf dem Schoß des Chauffeurs sitzen und das Auto durch den königlichen Park lenken durfte. Er erwarb bei der ersten Gelegenheit ein Auto und fuhr bald auf Strecken quer durch das Land. Das war ihm ihm offensichtlich nicht aufregend genug, und so begann er sich für den Rennsport zu engagieren.

 Sein Cousin Prinz Chula war nicht unbeteiligt. Er wurde Manager seines jungen Cousins und finanzierte die nicht unerheblichen Ausgaben aus der königlichen Schatulle. Zusammen gründeten sie ein Team, das White Mouse Stable genannt wurde. Die Autos waren alle himmelblau lackiert, mit einer großen weißen Maus an jeder Seite. Die Legende besagt, dass die Farbe eine Hommage an ein Mädchen war, auf das Bira ein Auge geworfen hatte. In Rennzirkeln wurde die Farbe später als "Bira Blue" bekannt. Das erste Auto, das Prinz Chula für seinen Cousin kaufte, war ein MG Magna. Obwohl Prinz Bira für seine Teilnahme am ersten Grand Prix des Sports und spätere Formel-1 Karriere in Erinnerung bleibt, waren es die Vorkriegsrennen, in denen er große Leistungen erbrachte.

Motorsport war zu dieser Zeit noch eine reine Amateurangelegenheit, bei der wohlhabende Männer
sehr viel Geld für laute, teure und sehr gefährliche Maschinen ausgaben, die nicht selten als
Totalschaden endeten. Prinz Bira war einern von Ihnen, und er war einer der Besten. I Im Jahr 1935, seinem Debütjahr des Wettbewerbs, wurde der damals erst 21-jährige Prinz sowohl im Grand Prix de Dieppe als auch in Bern auf Anhieb Zweiter. Im folgenden Jahr gewann er den Coupe Prince Rainier - eine Unterstützung Veranstaltung für den Grand Prix von Monaco - sowie die International Trophy, den Grand Prix de Picardie und den Grand Prix. von Albi. In den folgenden Jahren fuhr er viele Erfolge ein, bis dann ab 1937 die Mercedes Silberpfeile die Rennszene dominierten. Auf dem Kurs in Donington (Leistershire, England) waren allein sieben davon am Start und ließen nicht nur Bira mit seinem Maserati keine Chance auf einen der ersten Plätze, aber er behauptete sich gegen die übermächtige Konkurrent und fuhr einen sehr beachteten sechsten Platz ein.

 Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 wurden alle Rennsportaktivitäten eingestellt. Prinz Bira wollte für England in den Krieg ziehen und bewarb sich bei der Royal Air Force und der Navy. Wegen seiner Kurzsichtigkeit wurde er jedoch nicht angenommen. Er war jedoch hartnäckig, so daß ihn die Air Force schießlich als Ausbilder für Segelflieger anstellte. Gegen Ende des Krieges erhielt er die erste offizielle Privatpilotenlizenz inEngland. Geld war reichlich vorhanden, so kaufte er sich gleich einen kleinen zweisitzigen Segler und den passenden Transporter dazu. Er erwarb auch die Lizenz für Motorflugzeuge und flog 1952 selbst mit einer Miles Gemini von London nach Bangkok.

Als der Krieg zu Ende war, wurde wieder gefahren, aber die Atmosphäre war jetzt anders. Eine neue Generation von Fahrern hatte sich herausgebildet, tollkühne junge Männern, im Krieg dem Tod in Flugzeugen oder Panzern knapp entkommen. Es war nicht mehr der Sport der wohlhabenden jungen Männer, jetzt finanzierten Hersteller die Rennställe Fahrer, einzig zu dem Zweck, zu siegen und Preisgelder zu kassieren.

Aber es gab noch Erfolge für einen Herrenfahrer wie Prinz Bira. Für den ersten Formel-1-WM-Grand-Prix in Silverstone im Jahr 1950 hat Bira einen besonderen Platz in der Geschichte bekommen. Er qualifizierte sich für das Rennen als brillanter Fünfter, schied aber nach 49 Runden aus, als ihm der Treibstoff ausging. Er blieb von 1950 bis 1954 ein halb-regulärer Formel-1-Teilnehmer,es gab jedoch keinen White Mouse Stable mehr, da Bira unter einer Vielzahl von Teamnamen und in einer Reihe von Autos einstieg. Im Jahr 1954 gewann er mit etwas neuerer Ausrüstung, einem Maserati 250F, den Grand Prix des Frontières auf der Chimay-Rennstrecke und wurde 1954 mit seinem Maserati Vierter beim Grand Prix von Frankreich. Im Januar 1955 gewann er den Großen Preis von Neuseeland in Ardmore; Er zog sich am Ende dieser Saison zurück.


Daß ein wohlhabender junger Mann von aristokratischer Herkunft Motorsport betreiben sollte, war im Europa der dreißiger Jahre keineswegs ungewöhnlich. Als Bira beim ersten Formel-1-Rennen an den Start ging, war er einer von nur zwei außereuropäischen Fahrern. Der andere war der Argentinier Juan Manuel Fangio, der später eine der großen Legenden des Sports werden sollte. Es gab keine asiatischen Konkurrenten, und erst 2001 trat erstmals ein Fahrer aus Malaysia auf den Plan, aber Bira bleibt der einzige Thai, der in der Formel 1 je gefahren ist.

Noch ungewöhnlicher für einen Rennfahrer ist seine zweite Karriere: Nach dem Verlassen der Formel-1 konzentrierte er sich auf das Segeln und nahm an den Olympischen Spielen in Melbourne,Rom,Tokio und München teil.Zwar blieb er ohne Medaillen, repräsentierte aber sein Land zweifellos in hervorragender Weise. Schon während seiner Zeit in Eton und danach hatte er gesegelt, bis er dann seine Leidenschaft für Autorennen entdeckte.

Anmerkung des Autors: der Name พีรพงศ์ beginnt eigentlich mit einem "P", nicht mit einem "B". Ich habe mich aber an die herkömmliche Schreibweisen gehalten, schließlich hat er selbst sich "Bira" genannt.  Eigentlich klingt der Name ausgesprochen wie "Pirapong". Das "ศ์" am Ende wird auch nicht gesprochen,  auch hier bin ich der überlieferten Schreibweise gefolgt.

Mittwoch, 14. März 2018

Boonpong – Held von Kanchanaburi

 

Boonpong Sirivejjabhandu,  besser bekannt nur  unter dem Namen Boonpong, war ein thailändische Kaufmann, der während der japanischen Besatzung im zweiten Weltkrieg vielen Kriegsgefangenen an der „Death Railway“ das Leben gerettet hat.

Thailand 1941: Die Japaner hatten auf ihrem Eroberungsfeldzug jetzt auch Thailand besetzt.  Ihr eigentliches Ziel waren aber die von den Briten kontrollierten Gebiete Burma die Halbinsel Malaya und natürlich die Kolonie Britisch-Indien als Fernziel.
Die Regierung unter Phibulsongkhram  entschied im Interesse des Landes, daß es besser wäre, sich mit den Japaner zu verbünden, als gegen ihre Besatzung zu kämpfen, ein ohnehin wenig aussichtsreiches Unterfangen bei deren militärischen Übermacht.  Die Regierung erklärte formell  Amerika und Großbritannien den Krieg und erlangte wieder die Kontrolle über ihr Militär.  

Japan betrachtete Thailand wohlwollend als „Marionettenstaat“, ähnlich wie vorher Mandschukuo.  Dort hatte man 1934 sogar einen Kaiser installiert, um den Anschein von Selbstbestimmung zu wahren.  Pu-Yi war der letzte Kaiser von China und wurde wie eine Marionette von Japan geführt. 

In Thailand beließ man die Regierung und hielt sich weitgehend aus inneren Angelgegenheiten heraus,  konzentrierte sich auf die Eroberung Burmas und dann Indiens.   Thailands König  Ananda Mahidol, der nach Abdankung seines Onkels Rama VII im Jahre 1935  ernannt wurde,  war  jetzt gerade 16 Jahre alt. Er lebte die ganze Zeit seiner Ausbildung in der Schweiz und kehrte erst nach Ende des Krieges in sein Land zurück.  Die Japaner hatten somit freie Hand.Laut Vertrag hatten sie Zugriff auf die Infrastruktur, besonders die Eisenbahn, aber auch auf Flugplätze und Marinebasen.

Nicht zuletzt deswegen hatte sich von 1942 an  aber bereits eine Anti-Japan Bewegung gebildet unter der Führung des Kronregenten Pridi Banomyong, der  die hoheitlichen Aufgaben des abwesenden Königs wahrnahm.  Die Bewegung spionierte für die Alliierten und verübte Sabotageakte gegen die Japaner.  Gleich nach der japanischen Kapitulation am  2. September 1945 widerrief Pridi die Verträge der Phibulsongkhram-Regierung mit Japan und erklärte die Kriegserklärung an Großbritannien und die USA für null und nichtig.  

Der Kaufmann und Bürgermeister Boonpong aus Kanchanaburi, dem Ort an welchen die später so berühmte "Brücke am Kwai" gerade gebaut wurde,
  hielt über die Untergrundorganisation „V“ Kontakt zur Anti-Japan Bewegung,  allerdings ganz unauffällig.  Er hatte zusammen mit seinem Bruder einen Lebensmittelladen  und eben dieser war Hauptlieferant für die Versorgung  japanischen Kriegsgefangenen an der Eisenbahn nach Burma.  Wenn die Japaner wollten, daß die PoW ( Prisoners of War ) an der Strecke arbeiteten, mußten sie diese mit dem Notwendigsten versorgen, möglichst kostengünstig und aus lokalen Quellen.

Boonpong machten die günstigsten Angebote und stieg so ab 1943 zum Hauptlieferanten auf.   Er hatte als solcher viele Privilegien und konnte unter anderem die Camps beinahe unkontrolliert und nach Gutdünken besuchen, um Waren zu liefern.  
Die Organisation „V“ wurde geleitet von einem internierten britischen Mann und seiner thailändischen Frau Milli.  Diese und viele andere Frauen hatten die gefährliche Aufgabe, Geld und Medikamente möglichst unauffällig  über die vielen LKW-Fahrer an die Gefangenen zu überbringen.

Boonpongs Verhältnis zu den Japanern war nach außen hin so gut, daß er sich stolz mit Soldaten vor seinem Laden fotografieren ließ. Sie waren ja „Verbündete“, und bis zum Schluß haben die Japaner seine geheimen Hilfsaktionen nicht entdeckt.  Hätten sie es, wäre nicht nur er selbst sondern auch seine ganze Familie umgebracht worden.

Die Camps stromaufwärts von Kanchanaburi hatten den größten Bedarf an an Essen und Medizin.  Nicht nur, weil die Japaner  Medikamente – vorzugsweise gegen Malaria, Ruhr und Cholera  -  für ihre eigenen Soldaten verwendeten, sondern weil die Camps auch mit den Schiffen nicht mehr direkt  erreicht werden konnten.  

Boonpong belieferte  mit  Elefanten auch diese Camps und  schmuggelte sogar Batterien für die selbstgebauten Empfänger der Gefangenen.  Medikamente wurden in Wassermelonen versteckt und  die Frau von Boonpong schwamm in der Nacht durch  den  Kwae-Fluß mit wasserdicht verpackten Medikamenten um den Hals.   Durch die Medikamentenlieferungen sank die Todesrate von drei am Tag auf einen in der Woche.

Offiziere erhielten einen Dollar pro Tag, Mannschaften vier Pennies.  Die Offiziere teilten ihr Geld hälftig, um für  ihre Soldaten Medikamente zu beschaffen und Gemüse zur Ergänzung der knappen  Rationen. Medikamente waren das teuerste,  aber  britische Geschäftsleute  aus Bangkok und wohlwollende Unterstützer spendeten Geld, das von Boonpong in Thai-Zigarettenpackungen versteckt wurde. Von irgendwo gab es die passenden original Steuerbanderolen mit Stempel dazu,  die Japaner schöpften keinen Verdacht und  ließen die Packungen unkontrolliert durch.

Ein schottischer PoW  konstruierte insgesamt sieben Radioempfänger, die in verschiedenen Alltagsgegenständen versteckt wurden, unter anderem in einem selbstgebauten Besen.  Das letzte Radio wurde aus Teilen gebaut, die als Ersatzteile im frisch gelieferten Radio des Kommandanten versteckt waren. 
Ein Gerät ist erhalten geblieben und wird im Death Railway Museum Kanchanaburi gezeigt.   1943 gab es noch keine Transistoren, die Geräte waren mit Röhren aufgebaut!
Der australische Arzt und PoW  Colonel  Dunlop führte ein geheimes Tagebuch.  Eintrag am 25. Oktober 1943:  „unser Hospital (also das der Kriegsgefangenen) erhielt heute eine größere Lieferung wichtiger Medikamente und auch Geld.  Dank an den großartigen Mann Boonpong.“

Durch Boonpong und seine  Hilfsaktionen, besonders durch die geschmuggelten Medikamente,  haben sicher einige tausend Kriegsgefangene  überlebt.  Die Japaner hatten, entgegen allen Konventionen, sogar Rotkreuz-Pakete abgefangen und für ihre eigene Versorgung verwendet. Ihre eigene Versorgung wurde zum Ende des Krieges hin immer schlechter, da die Alliierten die Versorgungswege bombardierten.

Am 15. August 1945 endete der Krieg durch eine Rundfunkansprache Kaiser Hirohitos mit der Bekanntgabe der  bedingungslosen Kapitulation Japans.  Im September wurde Boon Pong vor seinem Laden  auf offener Strasse angeschossen.  In dem Buch „the Colonel of Tamarkan“ von Julie Summers heißt es: „Ein britischer Offizier namens Captain Newall hörte die Schüsse und eilte hinzu. Er fand Boonpong  verwundet durch mehrere Schüsse, durch seinen Nacken und Arm und sogar  in den Rücken.  Die Polizei hat mich umgebracht,  hat er gesagt.“ 

Britische Ärzte verabreichten ihm eine Bluttransfusion und operierten ihn sofort und er überlebte.  Die Hintergründe wurden nie geklärt.

1947 hatte Boonpong eine kleine Busfirma gegründet, war aber in finanziellen Schwierigkeiten.  Colonel Toosey, ein ehemaliger PoW, hörte davon und  zusammen mit ehemaligen Mitgefangenen brachte er 38.000 Pfund auf, um ihn zu unterstützen.  Die Busfirma lief von da an erfolgreich und wurde später  von seinem Sohn übernommen.  1948 wurde Boonpong der  Orden MBE (Member of the British Empire)  überreicht, er starb im  Januar 1982 im Alter von 76 Jahren.

Im Jahre 2013  brachte die Fernsehstation Thai PBS  das Drama „A War Hero Named Boonpong of Death Railway“ zur Ausstrahlung,  vier Jahre später wurde in Kanchanaburi das Musical „Death Railway Hero“ zum ersten Mal aufgeführt. 



Dienstag, 6. März 2018

Geschichte der Eisenbahn in Thailand

Im Jahre 1849 sandte Königin Victoria von England unter anderem eine Spielzeugeisenbahn an König Mongkut von Thailand. Sie wurde überbracht von John Bowring, damals Gouverneur von Hong Kong.   Hauptziel des Besuches war natürlich nicht dieses Geschenk, sondern ein Vertrag mit Siam, um Handelserleichterungen  zu erreichen.  Bis dahin war es nämlich den Einwohnern Siams bei Strafe verboten,  mit Ausländern Handel zu treiben. Das Monopol  auf den gesamten Außenhandel lag beim พระคลังสินค้า  Phra Klang Sinkha, dem königlichen Warenhaus.  Die Steuer auf die Waren wurde nicht nur auf diese selbst berechnet, sondern auch auf das transportierende Schiff. Eine schöne Einkommensquelle für die Regierung, nicht gerade geeignet, um ausländische Waren an das einfach Volk zu verkaufen.  Die britische Regierung hatte natürlich großes Interesse an einem Handelsabkommen, sie standen ja praktisch vor der Tür: Malaya war seit 1797 britisches Protektorat, Burma seit 1885 Teil von Britisch-Indien.

König Mongkut hatte nach amtlicher Zählung 82 Kinder, der älteste Sohn hieß Chulalongkorn und sollte später selbst König von Siam werden.  Es ist anzunehmen, daß die Spielzeugeisenbahn der Queen großes Interesse bei ihm fand. 

Chulalongkorn folgte 1868 seinem Vater auf den Thron und begann mit diversen Modernisierungen, unter anderem mit dem Bau einer Eisenbahn. Durch die gute Lobbyarbeit wurde zunächst eine englische Firma beauftragt, unter der Führung von Sir Andrew Clarke Pläne für ein Eisenbahnnetz auszuarbeiten.
1891 dann   legte die Firma Punchard nach dreijähriger Vermessung ihre Vorschläge  für die Linie Bangkok-Ayuttaya-Nakorn Rachasima  (Korat )  vor.  Man wollte sich allerdings nicht zu sehr von den  Engländern abhängig machen und hatte zeitgleich auch Kontakte nach  Deutschland geknüpft, das nicht nur ein großes Eisenbahnnetz aufgebaut hatte, sondern zu dieser Zeit sogar schon  dabei war, elektrische Züge zu entwickeln.  Siam war sehr auf seine Unabhängigkeit bedacht, sowohl von Frankreich als auch von England.  König Chulalongkorn unternahm 1897 seine erste Europareise, wobei ihn sein Weg natürlich auch nach Deutschland und dort auch zur Firma Krupp führte.   Die Rheinisch-Westfälische Zeitung berichtet am 4. September 1897 vom „ostasiatischen Monarchen mit großem  Gefolge zu Besuch in der Villa Hügel und den Krupp-Werken. Seine Majestät war sehr  an den Waffen, aber auch an den Lokomotiven interessiert.“

So  kam der Eisenbahningenieur Karl Bethge von der Firma Krupp im November 1889 auf Einladung Chulalongkorns nach Siam  und bekam von der siamesischen Regierung die englischen  Pläne zur Begutachtung vorgelegt. 
Es gelang ihm die Regierung zu überzeugen,  dass die geplante Bahn von Bangkok nach  Nakorn Rachasima (Korat), die 265 km lang sein sollte, wesentlich günstiger gebaut werden könnte, als es die Kostenplanung der Engländer vorsah.
Chulalongkorn folgte 1868 seinem Vater auf den Thron und begann mit diversen Modernisierungen, unter anderem mit dem Bau einer Eisenbahn.  Durch die gute Lobbyarbeit  wurde zunächst eine englische Firma beauftragt, unter der Führung von  Sir Andrew Clarke  Pläne für ein Eisenbahnnetz auszuarbeiten.

Die siamesische Regierung berief Bethge daraufhin  in den Staatsdienst und er wurde Leiter der neuen Eisenbahnbauabteilung. Die Bauarbeiten selbst wurden allerdings, entgegen dem Rat von Bethge,  an die englische Firma Murray Campbell als günstigstem Bieter vergeben. 

Am 09. März 1892 wurde durch König Chulalongkorn  der Bahnbau durch den ersten Spatenstich eröffnet und eine Proklamation zum Bau einer thailändischen Eisenbahn herausgegeben. Der reich verzierte Spaten und dazugehörige Schubkarre sind heute im Nationalmuseum in Bangkok zu sehen.



Die Ernennung des Deutschen Bethge zum Chef der thailändischen Eisenbahn war einer jener klugen Schachzüge,  durch die Siam seine weitgehende Unabhängigkeit behielt.  Im Westen waren die Engländer, hatten Indien unter ihrer Herrschaft und Burma, außerdem im Süden die Halbinsel Malakka. Im Osten waren die Franzosen mit ihrem Einflußgebiet Indochine, bestehend aus Laos, Cambodia und Vietnam.  Beide, Engländer und Franzosen, versuchten  ständig ihre Einflußgebiete zu erweitern, was nur auf Kosten Siams möglich gewesen wäre.  Hätten englische Unternehmer und Ingenieure den Bahnbau übernommen, wäre dies womöglich  eine Bedrohung der siamesischen Souveränität gewesen.   Durch die Übertragung der Leitung auf einen Deutschen wurde ein Keil zwischen diese beiden rivalisierenden Mächte getrieben,  denn Deutschland  hatte in dieser Region keine eigenen kolonialen Ambitionen, allerdings großes Interesse am Handel.


Bethge verpflichtete mit Zustimmung  der siamesischen Regierung weitere deutsche Fachleute  für den Bahnbau.   1892 stellte er zwei  Ingenieure ein, die beide einmal seine Nachfolge übernehmen sollten. Hermann Gehrts  und Luis Weiler standen beide in Diensten der preußischen Staatsbahn, als sie nach Thailand gerufen wurden. Der junge Gehrts wurde  die rechte Hand Bethges und  Weiler wurde Sektionalingenieur an der geplanten, durch den Urwald  führenden Strecke,  nach Korat. 
Die Nordost-Bahn als erstes Projekt in Angriff zu nehmen, war politischer Natur:  Konnte man in den Norden vergleichsweise einfach auf dem Wasserwege reisen, war die Verbindung nach Nordosten nur über eine äußerst unzulängliche Straßenverbindung, die zudem über schwierig zu begehende Pässe auf das Hochplateau von Korat führte, zu erreichen.  Außerdem befand sich die französische Kolonialmacht am Mekong auf dem Vormarsch. Hier konnte Thailand am besten mit einer gut ausgebauten Infrastruktur entgegenhalten. Die Nordost-Bahn versprach so den höchsten Nutzen.

Am 21. Dezember 1900  wurde die Koratbahn durch ihre Majestäten König Chulalongkorn und Königin Saovabha persönlich eröffnet.  Die  Fotos  von diesem Ereignis zeigen  König und Königin auf den Schienen sitzend, um gemeinsam den symbolischen letzten Schwellennagel zu befestigen, der zuvor von Ingenieur Weiler eingeschlagen worden war.   


1886, also noch während der Bauzeit, kündigte die  siamesische Eisenbahnverwaltung dem englischen Unternehmen den Vertrag, da diese Firma nicht in der Lage war die Bauarbeiten vertragsgemäß zu erfüllen. Diese wurden nun in eigener Regie übernommen, was eine erhebliche Mehrbelastung für die deutschen Ingenieure bedeutete.  Dennoch war es im gleichen Monat bereits  gelungen, auch die Schienenverbindung bis Bangkok herzustellen. Die Strecke war zu diesem Zeitpunkt 135 km lang. Im Dezember 1896 nutzte der König die Gelegenheit,  mit dem Zug bis zur Betriebsspitze zu fahren. 
An einer besonders eindrucksvollen Stelle bei km 136,5, einem überhängendem Stein, schrieb   Chulalongkorn mit Kreide seinen Namen auf den Felsen und tat mit einem goldenen Meißel und Hammer die ersten Schläge zum Aushauen. Der mittlerweile stark verwitterte Schriftzug ist heute noch zu sehen. 

Im Frühjahr 1904 erreichte den Ingenieur Weiler im Haifa, wo er am Bau der berühmten Hedjas-Bahn wirkte, die Berufung zum Generaldirektor der siamesischen Bahnen.  Bethge war im Jahr 1900 an Cholera gestorben und dessen Nachfolger Gehrts plante im Jahr 1904 in den Ruhestand zu treten.
Als Weiler 1904 seine Stelle antrat war die Koratbahn fertig gestellt und die Südbahn hatte Petchaburi erreicht.

In Petchaburi hatte der König einen Sommerpalast und konnte diesen nun sehr bequem mit der Bahn erreichen.  Der 1910 dort zu Besuch weilende Herzog  Johann Albrecht mit seiner Gattin konnte die Strecke Bangkok-Petchburi sozusagen auf heimischen Rädern zurücklegen. Hier der Bericht.

Die verschiedenen Spurweiten der östlichen und westlich des Menam Chao Phraya gelegenen Bahnlinien sollten in Zukunft noch zu manchen technischen und politischen Schwierigkeiten führen.
Die Nordbahn (östlich des Chao Phraya) war eine Normalspurbahn mit 1435 mm und die Südbahn (westlich des Chao Phraya) eine Schmalspurbahn mit 1000 mm Spurweite.

Weiler hatte die Aufgabe den Bahnbau in Richtung Norden und Süden voranzutreiben, die größte Schwierigkeit war die Beschaffung von Arbeitskräften. Da Thais anscheinend nur schwer zu mobilisieren waren,  entschied der König, chinesische Arbeiter anzuheuern. 

Bei der Vergabe von Aufträgen zur Lieferung der Lokomotiven, schnitten deutsche Firmen wie Henschel  und Krupp  durch Entscheid des Königs besonders gut ab. Das war sicher dadurch begünstigt, daß  er auf seiner Europareise 1897  diese Fabriken persönlich besucht hatte. 

Die Weiterführung der Südlinie und der Ostlinie bereiteten fast unüberwindliche politische Schwierigkeiten, weil nach einem Abkommen von 1896 der Süden ( das heutige Malaysia ) und Westen ( das heutige Burma   bzw. Myanmar ) zu dem englischen und der Osten zu dem französischen Einflussgebiet gehörten. Die siamesische Regierung wollte zum Ende des Jahres 1906 an den Ausbau der Südlinie gehen, welches allerdings auf den Widerspruch der Engländer stieß. Diese verlangten den Bau der Eisenbahn unter englischer Leitung, was allerdings Siam auf jeden Fall vermeiden wollte.  Daher wurden alle Anstrengungen auf den Bau der Nordlinie (Bangkok nach Chiang Mai) konzentriert, die keinen ausländischen Interessen zuwider lief. 
Bahnbau mit malayischen Kulis

Anfang  des Jahres 1908 wurde die  Nordlinie bis Pitsanoluk bei km 389 der 751 km langen Strecke nach Chiang Mai eröffnet. Am 11. November 1908, dem Krönungstag Chulalongkorns, konnten weitere 67 km auf der Strecke eröffnet werden. Insgesamt waren nun 844 km Strecke in Betrieb und es befanden sich 35 deutsche Angestellte bei der Bahn.

Im Sommer  des Jahres 1909 stellte die Regierung den Bau der Nordbahn vorläufig ein und führte den Bau der Südlinie weiter.  Dies war letztendlich  eine Folge  des mit den Engländern abgeschlossenen  „Anglo-Siamesischen Vertrages“, durch den die Sultanate Tsinganu, Kelantan und Keddah an England abgetreten werden mussten.  Obwohl das Vertragswerk keinen Hinweis darauf enthielt, gaben die Engländer  als Gegenleistung eine Anleihe von vier Millionen Pfund für den Bau der Südlinie.  Man hatte vermutlich dabei im Hinterkopf, daß dann nur noch das Stück von Kanchanaburi durch Burma gebaut werden müsste, und schon hätte man eine durchgehende Strecke bis Indien, was natürlich aus strategischen Gründen ganz ausgezeichnet gewesen wäre.

Bekanntlich ist es nicht dazu gekommen, auch der Versuch der Japaner,  im zweiten Weltkrieg diese Strecke zu bauen, ist gescheitert.  Die unter großen Strapazen  der alliierten Kriegsgefangen gebaute Strecke nach Sin-Thanbyuzayat war letztendlich nur 17 Monate in Betrieb und hat nie die geplante Transportkapazität erreicht. 
Als König Chulalongkorn im Jahre 1910 stirbt,  wird der Eisenbahnbau von dessen Nachfolger König Vajiravudh (Rama VI) weitergeführt.  Allerdings wurde erst einmal nur die Südlinie weitergebaut und  Ingenieur Weiler entdeckte bei einer seiner Inspektionsreisen den Badestrand von Hua Hin. Er ließ durch die Eisenbahnverwaltung zwei hölzerne Badehütten bauen. Dies waren die Vorläufer des im Oktober 1922 eröffnete Railwayhotel  und  somit der erste Badeort in Thailand gegründet.  Unter Rama VII König Prajadhipok  wurde 1920 eine eigene königliche Bahnstation gebaut, da sich die Familie jedes Jahr einige Wochen  im Sommerpalast „Fern der Sorgen“ ( eine Anspielung auf Sanssouci )  aufhielt.  Und wo der König ist, zieht es natürlich auch den Adel bald hin, der sich hier  unter anderem auf dem ersten Golfplatz Thailands traf oder aber im viktorianischen Railway-Hotel residierte.   

Der kleine Bahnhof erinnert  heute noch mit dem königlichen Wartepavillon an seine aristokratische Vergangenheit.  



Selbstverständlich besaßen die Könige ihre eigenen Salonwagen, diese waren bis in die Zeit des Königs  Bhumipol in Gebrauch.  Die königliche Familie machte aber ab 1970 mehr und mehr von Flugzeug und Hubschrauber Gebrauch, so daß dieses Bild  von 1968 eines der letzten ist, das den König, seine Gattin Sirikit sowie die Prinzessinnen  Chulabhorn und Sirindhorn  auf Reisen  mit der Bahn zeigt. Der Thronfolger Prinz Vajiralongkorn  war zu dieser Zeit nicht mehr in Thailand, er besuchte die die King’s Mead Preparatory School in Seaford, Sussex, und die Millfield School in Somerset.  
Royal Family König Bhumipol, Königin Sirikit, Prinzessinnen Chulabhorn und Sirindhorn

1910 wurde endlich die Nordlinie weitergebaut.  Zwischen Lampang und Chiang Mai musste ein 1,326 km langer Tunnel gebaut werden, die Arbeiten leiteten die deutschen Ingenieure Eisenhofer und Goette.  Als Emil Eisenhofer 1962 hochbetagt starb, wurde er am Nordausgang des Khun Tan Die Tunnels beigesetzt,  das Grab wird heute noch sorgfältig gepflegt.

Der Tunnel, der längste in Thailand überhaupt, hat eine besondere Geschichte, die einen eigenen Beitrag wert ist.  Hier ist sie
Der erste Zug durch den Khun Tan Tunnel
Nach dem Beginn des 1. Weltkrieges kam der Eisenbahnbau nahezu zum Stillstand, viele deutsche Ingenieure verließen das Land. 
Siam war von zwei Mächten der Entente- England und Frankreich-eingeschlossen. Jede Parteinahme für die Mittelmächte wäre gefährlich gewesen. Siam entschied sich deshalb zunächst für Neutralität und, als der Sieg der Entente sich abzeichnete, erklärte es den Mittelmächten den Krieg, beschlagnahmte deutsches Eigentum in Siam, wies sämtliche Bürger der Mittelmächte aus und entsandte 1300 Soldaten nach Frankreich in den Krieg. Somit gehörte Siam nach Kriegsende zu den Siegermächten.

Ingenieur Weiler wurde ebenso wie alle anderen Deutschen interniert, nachdem er noch kurz zuvor mit dem Weißen Elefanten Orden II. Klasse ausgezeichnet wurde.
Vorzeitig aus der Internierung entlassen verließ Weiler mit Genehmigung der siamesischen Regierung als schwerkranker Mann das Land und starb auf einem dänischen Schiff am 16. Januar 1918 vor der Ostküste Afrikas.

1916 wurde der Bangkoker Hauptbahnhof, dessen Grundsteinlegung bereits 1910 war,   eröffnet. Die ganze Stahlkonstruktion stammte aus deutscher Produktion, Architekt war der in Turin geborene Italiener Mario Tamagno, der zusammen mit seinem Landsmann Annibale Rigotti (1870–1968) Anfang des 20. Jahrhunderts an zahlreichen öffentlichen Bauprojekten in Bangkok beteiligt war.

Bahnhof Hualampong Bangkok

 Das gesamte siamesische Eisenbahnnetz wurde unter dem Einfluss der Engländer nach dem ersten Weltkrieg auf Meterspur umgebaut, um so den Anschluss an die Bahnen in deren Kolonien auf der Malakkahalbinsel und in Burma zu ermöglichen. Eine Zeitlang wurden beide Spurweiten - 1.000 und 1.433 mm - gleichzeitig verwendet, das Bild zeigt die Einfahrgleise zum Bahnhof Hualampong
Zwei Spurweiten am Bahnhof Hualampong