Zwei Tage vor Weihnachten 1985 sahen Passanten am Barons Court in London einen älteren Herrn zu Boden sinken. Ein zu Hilfe gerufener Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen, vermutlich durch einen plötzlichen Herzinfarkt. Die Weihnachtseinkäufer ahnten nicht, dass er ein Mitglied der thailändischen Königsfamilie war, und ein Teil der Formel-1 Geschichte.
Sein voller Name war Prinz Birabongse Bhanudej Bhanubandh พีรพงศ์ภาณุเดช aus Thailand und er hatte einen einzigartigen Anspruch auf sportlichen Ruhm: Der Prinz gehörte zu den Fahrern, die 1950 das erste Formel-1-WM-Rennen in Silverstone starteten. Er war der erste und einzige Grand-Prix und Formel-1 Fahrer aus Siam, dem heutigen Thailand, überhaupt. Daß ihm heutzutage viele Fahrer auf den Strassen Thailands nacheifern, ist nicht seine Schuld, die meisten werden seinen Namen überhaupt nicht kennen. In Pattaya hat man ihm zu Ehren die Rennstrecke Bira Circuit benannt, aber eigentlich ist ja jede Strasse in Thailand eine Rennstrecke....
Prinz Birabongse im Juli 1914 in Thailand (damals Siam) geboren, sein Vater war Prinz Bhanurangsi Savangwongse, der Begründer des thailändischen Postwesens, sein Großvater war König Mongkut, Rama IV. Im Rennsport benutzte der Prinz nicht seinen seinen vollen Namen sondern ein schlichtes B.Bira.
Prinz Birabongse wurde 1927 nach Europa geschickt, um seine Ausbildung in England am Eton College zu vervollständigen, seine Mutter war schon früh verstorben, nun starb auch sein Vater und er war mit 13 Jahren Waise.
Die königliche Familie daheim entschied, dass Biras älterer Cousin Prinz Chula Chakrabongse, sein Mentor und Vormund in England werden sollte.
Wie Bira lebte Chula in Großbritannien. Seine Mutter war Ukrainerin, er hatte während seiner Jugend
in Russland gelebt und war als Teenager nach England gezogen, um in Harrow zu studieren. 1938 heirateten die beiden Cousins englische Frauen: Prinz Bira heiratete Ceril Heycock, Prinz Chula
heiratete Elizabeth Hunter.
Automobilsport war in der gehobenen englischen Gesellschaft zu jener Zeit en vogue, und so war auch Prinz Bira von Autos fasziniert. Es heißt, dass sein Interesse begann, als er als Kind auf dem Schoß des Chauffeurs sitzen und das Auto durch den königlichen Park lenken durfte. Er erwarb bei der ersten Gelegenheit ein Auto und fuhr bald auf Strecken quer durch das Land. Das war ihm ihm offensichtlich nicht aufregend genug, und so begann er sich für den Rennsport zu engagieren.
Sein Cousin Prinz Chula war nicht unbeteiligt. Er wurde Manager seines jungen Cousins und finanzierte die nicht unerheblichen Ausgaben aus der königlichen Schatulle. Zusammen gründeten sie ein Team, das White Mouse Stable genannt wurde. Die Autos waren alle himmelblau lackiert, mit einer großen weißen Maus an jeder Seite. Die Legende besagt, dass die Farbe eine Hommage an ein Mädchen war, auf das Bira ein Auge geworfen hatte. In Rennzirkeln wurde die Farbe später als "Bira Blue" bekannt. Das erste Auto, das Prinz Chula für seinen Cousin kaufte, war ein MG Magna.
Obwohl Prinz Bira für seine Teilnahme am ersten Grand Prix des Sports und spätere Formel-1 Karriere in Erinnerung bleibt, waren es die Vorkriegsrennen, in denen er große Leistungen erbrachte.
Motorsport war zu dieser Zeit noch eine reine Amateurangelegenheit, bei der wohlhabende Männer
sehr viel Geld für laute, teure und sehr gefährliche Maschinen ausgaben, die nicht selten als
Totalschaden endeten. Prinz Bira war einern von Ihnen, und er war einer der Besten. I
Im Jahr 1935, seinem Debütjahr des Wettbewerbs, wurde der damals erst 21-jährige Prinz sowohl im Grand Prix de Dieppe als auch in Bern auf Anhieb Zweiter. Im folgenden Jahr gewann er den Coupe Prince Rainier - eine Unterstützung Veranstaltung für den Grand Prix von Monaco - sowie die International Trophy, den Grand Prix de Picardie und den Grand Prix. von Albi.
In den folgenden Jahren fuhr er viele Erfolge ein, bis dann ab 1937 die Mercedes Silberpfeile die Rennszene dominierten. Auf dem Kurs in Donington (Leistershire, England) waren allein sieben davon am Start und ließen nicht nur Bira mit seinem Maserati keine Chance auf einen der ersten Plätze, aber er behauptete sich gegen die übermächtige Konkurrent und fuhr einen sehr beachteten sechsten Platz ein.
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 wurden alle Rennsportaktivitäten eingestellt. Prinz Bira wollte für England in den Krieg ziehen und bewarb sich bei der Royal Air Force und der Navy. Wegen seiner Kurzsichtigkeit wurde er jedoch nicht angenommen. Er war jedoch hartnäckig, so daß ihn die Air Force schießlich als Ausbilder für Segelflieger anstellte. Gegen Ende des Krieges erhielt er die erste offizielle Privatpilotenlizenz inEngland. Geld war reichlich vorhanden, so kaufte er sich gleich einen kleinen zweisitzigen Segler und den passenden Transporter dazu. Er erwarb auch die Lizenz für Motorflugzeuge und flog 1952 selbst mit einer Miles Gemini von London nach Bangkok.
Als der Krieg zu Ende war, wurde wieder gefahren, aber die Atmosphäre war jetzt anders. Eine neue Generation von Fahrern hatte sich herausgebildet, tollkühne junge Männern, im Krieg dem Tod in Flugzeugen oder Panzern knapp entkommen. Es war nicht mehr der Sport der wohlhabenden jungen Männer, jetzt finanzierten Hersteller die Rennställe Fahrer, einzig zu dem Zweck, zu siegen und Preisgelder zu kassieren.
Aber es gab noch Erfolge für einen Herrenfahrer wie Prinz Bira. Für den ersten Formel-1-WM-Grand-Prix in Silverstone im Jahr 1950 hat Bira einen besonderen Platz in der Geschichte bekommen. Er qualifizierte sich für das Rennen als brillanter Fünfter, schied aber nach 49 Runden aus, als ihm der Treibstoff ausging.
Er blieb von 1950 bis 1954 ein halb-regulärer Formel-1-Teilnehmer,es gab jedoch keinen White Mouse Stable mehr, da Bira unter einer Vielzahl von Teamnamen und in einer Reihe von Autos einstieg.
Im Jahr 1954 gewann er mit etwas neuerer Ausrüstung, einem Maserati 250F, den Grand Prix des Frontières auf der Chimay-Rennstrecke und wurde 1954 mit seinem Maserati Vierter beim Grand Prix von Frankreich.
Im Januar 1955 gewann er den Großen Preis von Neuseeland in Ardmore; Er zog sich am Ende dieser Saison zurück.
Daß ein wohlhabender junger Mann von aristokratischer Herkunft Motorsport betreiben sollte, war im Europa der dreißiger Jahre keineswegs ungewöhnlich. Als Bira beim ersten Formel-1-Rennen an den Start ging, war er einer von nur zwei außereuropäischen Fahrern. Der andere war der Argentinier Juan Manuel Fangio, der später eine der großen Legenden des Sports werden sollte. Es gab keine asiatischen Konkurrenten, und erst 2001 trat erstmals ein Fahrer aus Malaysia auf den Plan, aber Bira bleibt der einzige Thai, der in der Formel 1 je gefahren ist.
Noch ungewöhnlicher für einen Rennfahrer ist seine zweite Karriere: Nach dem Verlassen der Formel-1 konzentrierte er sich auf das Segeln und nahm an den Olympischen Spielen in Melbourne,Rom,Tokio und München teil.Zwar blieb er ohne Medaillen, repräsentierte aber sein Land zweifellos in hervorragender Weise. Schon während seiner Zeit in Eton und danach hatte er gesegelt, bis er dann seine Leidenschaft für Autorennen entdeckte.
Anmerkung des Autors: der Name พีรพงศ์ beginnt eigentlich mit einem "P", nicht mit einem "B". Ich habe mich aber an die herkömmliche Schreibweisen gehalten, schließlich hat er selbst sich "Bira" genannt. Eigentlich klingt der Name ausgesprochen wie "Pirapong". Das "ศ์" am Ende wird auch nicht gesprochen, auch hier bin ich der überlieferten Schreibweise gefolgt.