Freitag, 15. Juni 2018

Deutsch-siamesische Beziehungen: Elisabeth Scharnberger und Prinz Rangsit



Sein voller Name lautete „Rangsit Prayurasakdi, Prinz von Chainat“ สมเด็จพระเจ้าบรมวงศ์เธอ พระองค์เจ้ารังสิตประยูรศักดิ์ กรมพระยาชัยนาทนเรนทร,  er wurde am 12. November 1885 geboren und war das 52. von insgesamt 77 Kindern  des Königs  Chulalongkorn  und das erste Kind von Chao Chom Manda Nueng, einer der 50 Nebenfrauen seines Vaters.

Nach dem frühen Tod seiner Mutter wurde Rangsit zusammen mit drei weiteren Prinzen durch Königin Savang Vadhana  พระเจ้าลูกเธอ พระองค์เจ้าสว่างวัฒนา  adoptiert. Mit deren Sohn Prinz Mahidol Adulyadej verband ihn während seiner Kindheit eine enge Freundschaft, die später eine zentrale politische Rolle in Mahidols Karriere und die seines Sohnes Bhumibol Adulyadej spielte.
Die Öffnung Siams gegenüber westlichen Ländern gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte Rangsits Vater König Chulalongkorn zu einem weltoffenen und sehr erfolgreichen Außenpolitiker gemacht, der eine enge Bindung zu anderen Staaten suchte, um das eigene Land entwickeln zu können. Er war auch der erste König Siams, der direkte Kontakte zu den europäischen Königshäusern pflegte und 1897 für neun Monate mehrere europäische Länder bereiste.
Diese  Kontakte mit Deutschland führten dazu, dass Rangsit eine Schulausbildung in Deutschland erhielt. Er war eine Zeit lang Schüler am Heidelberg-College in Heidelberg und ging danach in Halberstadt  auf das  Gymnasium Martineum, wo er 1905 das Abitur machte.
Eigentlich wollte Rangsit Mediziner werden, aber sein Vater bestand auf einer juristischen Ausbildung.  Er immatrikulierte im Wintersemester 1905/1906 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, zunächst im Fach Staatswirtschaftslehre.

Im Sommer 1908 schrieb Prinz Rangsit sich dann für das Fach Philosophie ein.  Er besaß zudem großes Interesse an Pädagogik und engagierte sich als begeisterter Amateurphotograf, unter anderem 1912 in der vom Heidelberger Fotografen Ernst Gottmann initiierten „Allgemeinen Deutschen Photographischen Ausstellung“.  Das Fotografieren liegt den Mitgliedern des Königshauses wohl im Blut, denn auch König Bhumipol Adulyadej hat man in der Öffentlichkeit selten ohne Kamera gesehen. 
Prinz Rangsit  damals wohnte in der Gaisberstraße 21, nahm am studentischen Leben regen Anteil, feierte und tanzte. Auf einem Ball begegnete er Elisabeth Scharnberger, einer der drei Töchter der von Anna Scharnberger, die in der nahen Rohrbacher Straße eine Pension betrieb. Anna Scharnberger stammte aus Ladenburg, aus der Heidelberger Str. 11. Nach dem Tod ihres Mannes war sie nach Heidelberg umgezogen, um mit der Pension ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Ihre Tochter Elisabeth, geboren 1892, war ein bildhübsches und intelligentes Mädchen und erregte des Prinzen  Aufmerksamkeit. Den damaligen Gazetten zufolge soll es Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, denn bald darauf, am 28. August 1912, heiratete Rangsit die damals Neunzehnjährige. 1913 kehrte er mit ihr und ihrer Schwester Gertrud als Hofdame nach Bangkok zurück.  Das siamesisch-deutsche Ehepaar hatte  drei Kinder, die beiden Söhne Piyarangsit Rangsit  und Sanidh Prayurasakdi Rangsit  sowie eine Tochter namens Charulaksana Kalyani. Durch die Heirat erhielt Elisabeth den offiziellen Titel Mom Elisabeth Rangsit na Ayudhaya หม่อมเอลิซาเบธ รังสิต ณ อยุธยา

Nach der Rückkehr in seine Heimat widmete Prinz Rangsit sich zunächst dem Aufbau des thailändischen Universitätssystems. Seine Kenntnisse des deutschen Hochschulsystems waren dazu natürlich äußerst hilfreich, viele Grundzüge der deutschen Universitäten wurden dabei von ihm übernommen. Die zur Zeit vieldiskutierten Erstsemester-Rituale gehörte allerdings nicht dazu, die wurden später aus den USA übernommen. 
Als  im Jahre 1920 eine Inspektion der amerikanischen Rockefeller Foundation große Mängel in der Gesundheitsausbildung Thailands aufzeigte, war es Rangsit, der nach Manila   ging, um dort den Aufbau und die Organisation einer angemessenen medizinischen Ausbildung kennenzulernen.  Prinz Rangsit konnte so in gewisser Weise sein Interesse für Medizin wiederbeleben und arbeitete in der Folgezeit als Direktor der Königlichen Medizinischen Schule.  Später wurde er der erste Generaldirektor der Abteilung für Hochschulangelegenheiten  im thailändischen Erziehungsministerium.
In diesem Posten erstellte Rangsit einige wichtige Berichte zur Weiterentwicklung der Universitäten. Er regte die Einrichtung neuer Studiengänge in den Bereichen Landwirtschaft, Wirtschaft, Tiermedizin, Rechtswissenschaften, Forstwirtschaft, Bergbau, Mineralogie, Archäologie, bildende Künste und Musik an.
Nachdem 1932 die absolute Monarchie in Thailand mit einer Revolution endete und der König 1935 im Nachgang politischer Auseinandersetzungen um die neue Verfassung abdanken musste, wurden zunächst Mitglieder der königlichen Familie weitgehend von politischen Funktionen und höheren Ämtern ausgeschlossen. 
König Bhumipol 1950 zu Besuch bei Rangsit und seiner Gattin
Am 9. Juni 1946 starb König Ananda Mahidol  nur 21jährig unter mysteriösen Umständen. Anwärter auf den Königsthron wurde damit Prinz Bhumibol, der Sohn von Rangsits Jugendfreund Prinz Mahidol. Da Prinz Bhumibol seine Ausbildung zunächst beenden wollte, übernahm ab dem 16. Juni 1946 Prinz Rangsit als sein Onkel die Staatsgeschäfte als Prinzregent. Nach und nach führte er seinen Neffen in das königliche Amt ein und organisierte schließlich am 5. Mai 1950 die Krönungszeremonie, mit der Prinz Bhumibol Adulyadej zum Rama IX. der Chakri-Dynastie gekrönt wurde. Nicht einmal ein Jahr später starb Prinz Rangsit am 7. März 1951 im Alter von 65 Jahren.
Seine Witwe Elisabeth besuchte später  im Rahmen einer Deutschlandreise ihre Heimatstadt Ladenburg. Sie starb am 29. September 1973 im Alter von 82 Jahren. Sie hatte verfügt, ihre Asche je zur Hälfte an der Seite ihres Mannes in Bangkok und im Familiengrab der Scharnbergers in Ladenburg zu bestatten; letzteres geschah am 27. Mai 1974. Da nach der gesetzlichen Frist niemand Verlängerung des Grabes beantragt hatte, wurde es 1997 eingeebnet.