Samstag, 28. Dezember 2019

Im Landes des weißen Elephanten - aus dem Tagebuch des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg

 Der Besuch beim König von Siam

Am 26. April 1883 verließen wir Singapore auf der schmucken «Maha Vastrumhis" , die ihren Namen nach dem Kronprinzen ( Wachirunnahit , Sohn von Chulalongkorn und König Savang Wattana) von Siam führt. Die Seefahrt wurde vom schönsten Wetter begünstigt, und in dem Kapitän, einem geborenen Dänen, fanden wir einen außerordentlich angenehmen Menschen. Die beiden ersten Tage der Fahrt begleiteten uns im Westen noch die Berge der malayischen Halbinsel (Malakka), deren schroffe Formen sich am Himmel abzeichneten. Am Abend des 29. tauchte Siams Küste vor uns auf, und schon während der Nacht fuhren wir den Menam hinauf, so daß wir uns des andern Morgens beim Aufwachen mitten in Siams Hauptstadt befanden.

Bangkok liegt in der Art wie Venedig auf morastigem Grunde an beiden Seiten des Menam und wird van zahlreichen Kanälen durchschnitten. Fluß und Kanäle bilden auch die Hauptverkehrsader des Handels und öffentlichen Lebens. Fortwährend eilen kleine leichte Fahrzeuge, von schnellen Ruderschlägen getrieben, pfeilschnell über diese Wasserstraßen, deren gelbliche Schlammfarbe auch derjenigen einer Landstraße gleicht. Man bedient sich hier meist kleiner, leichter Ruder, die man, auf  dem Boden des Bootes sitzend, von vorn nach hinten bewegt.

Längs dieser Wasserstraße liegen auf beiden Seiten in dichten Reihen allerhand Läden, die, meist von Chinesen gehalten, Produkte des Ostens und europäische Waren aufweisen, unter denen besonders' bunte Lampen eine Hauptrolle spielen. Am Fluß liegen auch der königliche Palast, die schönsten Tempel, sowie fast alle Konsulate.

Niemand erwartete mich schon jetzt in Bangkok, da ich mich ganz plötzlich in Singapore entschlossen hatte. Java fürs erste aufzugeben und gleich nach Siam zu gehen, und da es damals auch noch keinen Telegraphen nach Bangkok gab.

Wir fuhren nun gleich ins Konsulat, wo wir beim Konsul, Herrn v. Krencki bis zum Nachmittage liebenswürdigste Aufnahme fanden, bis der König von unserer Ankunft benachrichtigt und das für mich eingerichtete Lotos-Palais in Ordnung gebracht werden konnte. Vor Tisch kam Prinz Diß Warakumar. ein jüngerer Bruder des Königs und Kommandeur der Leibgarde, der zu mir als Begleiter kommandirt worden, um mich im Namen seines Bruders zu begrüßen. Der Prinz ist ein netter, lustiger und aufmerksamer Mann, der stets an alles dachte und seine Sache als Cicerone meisterlich machte.

Mit ihm fuhr ich des Abends, eskortirt von einem Zuge der Leibwache — die mich in Bangkok keinen Moment verließ — nach dem ungefähr eine halbe Stunde von der Stadt entfernten Lotos-Palais. Hier empfingen mich der erste Sekretär des Königs, Prinz Damrong,  und zwei andere zu mir kommandirte Herren. Das Palais, das im europäischen Stil erbaut ist, gehört dem Prinzen Pristang. einem Bruder des Königs, der augenblicklich in England studirt. Seinen Namen führt es nach dem in der Nähe liegenden Lotos-Garten, in dem aber leider seit einiger Zeit die Baracken eines Infanterieregiments errichtet sind, vor denen die duftenden Bewohnerinnen weichen mußten.

Jetzt findet man sie nur noch in den Kanälen außerhalb des Gartens, rothe wie weiße, in schönster Fülle. Die rothen sind viel schöner als die weißen, und auch ihr Duft ist bei weitem lieblicher.
Am andern Tage, den 1. Mai, besahen wir nun diesen Garten ohne Blumen. Dicht dabei liegt ein kleiner Tempel, der ein Lieblingsplatz des verstorbenen Königs war und von diesem auch mit einer Dagoba (heute Stupa genannt, in Thailand nennt man sie Chedi) geschmückt wurde. Bemerkenswerth sind die Thüren mit erhabenen, vergoldeten Holzfiguren auf Glasgrund.

Die Wände aller siamesischen Tempel sind mit Gemälden geschmückt, die sich auf die Darstellung geschichtlicher oder religiöser Legenden beziehen, aber ohne Perspektive gezeichnet sind; meist sind es Kämpfe zwischen Riesen. Königen und Affen. Nach dem Frühstück kam der Minister des Aeußern. der auch seinen Dragoman mitbrachte, obgleich es sich beim öfteren Wiedersehen herausstellte, daß er recht gut englisch spricht. Die Siamesen benutzen fast alle gern den Dolmetscher, damit dasjenige, was sie sagen wollen, dem Fremden auch in angemessener und ver-  bindlicher Form zu Gehör komme.

Am Nachmittage wollte uns der König empfangen, und so fuhren wir um 4 Uhr in großer Gala mit roth angezogener Eskorte, die entsetzlichen Staub machte, nach der Stadt. Der königliche Palast ist erst vor einem halben Jahre vollendet und ein imposanter Bau, in dem europäischer und siamesischer Geschmack sich aufs Beste vereinigen, besonders ist das rein siamesische Dach von hervorragender Schönheit. 

Mit all seinen Nebcnhallcn. Tempeln und Dagoben bildet der Palast, von einer starken Mauer umgeben, eine Stadt für sich allein. Die ausführlichere Beschreibung werde ich weiter unten bei Gelegenheit einer gründlichen Besichtigung folgen lassen. Vor dem Thore des inneren Hofes verließen wir die Wagen und wurden vom Minister des Aeußern empfangen, der uns über den Hof geleitete. Als ich den  Hof betrat, erklangen die Töne der „Wacht am Rhein", von dem Musikcorps einer Ehrenwache gespielt, die ein Regiment stark, neben dem Thore aufgestellt war. Vor uns erhob sich das Schloß; auf dem untersten Absatz der Freitreppe erwartete uns der König in Generalsuniform.

Nach überaus herzlicher Begrüßung führte mich Se. Majestät in den Empfangssaal, der linker Hand vom Eingang liegt; ein Hofstaat von wohl über 100 Personen in glänzenden, aus indischem Goldstoff gefertigten Kostümen füllte den Raum. Wir setzten uns um einen kleinen Tisch, und die Unterhaltung begann, wobei Prinz Damrong den Dragoman (im arabisch-orientalischen Sprachgebrauch für Dolmetscher)  machte; denn die Etikette erlaubt es dem König nicht, officiell anders als siamesisch zu sprechen, nur wenn wir allein zusammen waren, sprach er englisch und zwar sehr gut.

Die Siamesen rauchen immer und überall, und so gab es auch gleich Cigaretten, aus siamesischem Tabak, zu deren Deckblatt Bananenblätter benutzt werden; dann gab es Thee in prachtvoll emaillirtem, goldenem Service. Nachdem die Konversation eine Zeitlang gedauert hatte, ward ein gelber Kasten hereingebracht, der die Insignien des siamesischen Kronen-Ordens enthielt.

Se. Majestät ließ es sich nicht nehmen, mir den Orden gleich eigenhändig anzulcgen. Hierauf brachte uns der König wieder an die Treppe, und wir verließen das Schloß, wie wir gekommen. Nun besuchten wir den Prinzen Chao-Fa-Mahamala, einen alten Oheim des Königs. Er ist ein freundlicher und gescheiter Herr, ein passionirter Betelkauer, der nicht viel nach den Neuerungen des jungen Geschlechts fragt, die sich zu Zeiten sehr überstürzten. Alle königlichen Elephanten stehen unter seinem Befehl. Bei längerer Bekanntschaft wurden wir ganz gute Freunde. Die Siamesen sind überhaupt ein äußerst liebenswürdiger und einnehmender Volksstamm, so daß man sich schnell mit ihnen befreundet; wenn sie auch dem Fremden gegenüber sehr ceremoniell sind, was sie auch von ihm beanspruchen, so lassen sie das bei näherer Bekanntschaft doch schnell fallen und offenbaren eine natürliche Herzlichkeit. Zu Tisch war Herr von Krencki bei uns.

Am 2. Mai stattete mir der Prinz Chao-fa-Mahamala wieder einen kurzen Besuch ab, und darauf fuhren wir zum Minister des Aeußern über den Fluß in einer hübschen Barke mit 12 Ruderern, die beim Rudern eine Art Gebrüll ausstoßen, was eine große Ehre sein soll. Das officielle Siegel des auswärtigen Ministeriums stellt eine Lotosblume dar, und mit Bezug darauf hat der Minister alle Verzierungen in seinem Empfangssalon mit dem Bilde dieser Blume schmücken lassen, was sich recht hübsch ausnimmt, zumal die zarte röthliche Farbe der Blume harmonisch zu dem Fußboden aus grauem Marmor stimmt.

Sein Lotos-Cultus geht soweit, daß sogar die Cigaretten ein frisches, duftendes Lotosblatt als Deckblatt hatten, was ihnen ein eigenthümliches Parfüm verlieh; doch leider müssen sie ganz frisch geraucht werden und halten sich nur drei Tage gut. Als ich von diesem Besuch zurückgekehrt war, hatte ich noch die Besuche von vier Ministern zu empfangen, von denen zwei vor 25 Jahren Botschafter in London und Paris gewesen sind. Den Schluß der Visiten machte der Kriegsminister, der reichste Mann Siams. Er ist ein Sohn des erst vor einem halben Jahre verstorbenen Regenten, welcher während der Minderjährigkeit des Königs die Zügel der Regierung zum Segen des Landes geführt hatte.
Den ganzen Tag war eine Menge Menschen damit beschäftigt, unser Palais von oben bis unten zu scheuern und zu putzen, da der König am Nachmittage mir seinen Gegenbesuch abstatten wollte. Truppen marschirten auf, um Spalier zu bilden, was immer stattfindet, wenn Se. Majestät sich zeigt. Um 5 Uhr kam der König angefahren; er trug die weiße Uniform der Leibgarde zu Fuß. Es war wiederum alles in großer Gala erschienen, und die Unterhaltung verlief wie am Tage vorher unter obligatem Rauchen und Theetrinken, wie das bei jedem Besuch stattfindet.
Der König, dessen Name Chulalongkorn lautet, ist Anfangs der Zwanziger ( er war 29 Jahre alt )und macht einen äußerst angenehmen, vornehmen und sympathischen Eindruck.  Er hat eine hübsche, schlanke Figur, die in der kleidsamen Uniform vortrefflich zur Geltung kommt.

Am 3. Mai Mittags erwiderte ich dem Kriegsminister seinen Besuch. Auch er wohnt auf der andern Seite des Flusses. Wie er selbst, so sind auch seine Söhne und alles was unter seinem Befehl steht, noch in tiefe Trauer gehüllt. Neben seinem Hause liegt das des Regenten, in welchem die Leiche desselben bis zu ihrer Verbrennung in einer goldenen Urne mit königlichen Ehren aufbewahrt wurde. Auf den Stufen des Postaments standen Lampen. Uhren und allerhand Vasen und davor in Glasschränken alle die Orden und Ehrengeschenke des Verblichenen, sowie die Insignien seiner Würde, die aus goldenen, edelsteinfunkelnden Gefäßen bestehen.

Am Nachmittag fuhren wir wiederum unter Beobachtung der oben beschriebenen Ceremonien ins Schloß, um von der Königin Saovabha Phongsri empfangen zu werden. Nachdem mich zunächst der König in seinem Salon begrüßt hatte, führte er mich in die Gemächer seiner Gemahlin, die mich sehr liebenswürdig empfing. Ihre Majestät ist eine hübsche Frau, spricht lebhaft und natürlich, und führte auch mit mütterlichem Stolze ihre beiden Jungen vor, von denen der ältere ein entzückender Balg von fünf Jahren ist. Vor dem Weggehen mußten wir uns noch in das Geburtstagsbuch des Königs einschreiben.

Dann besuchten nur den sogenannten zweiten König, einen älteren, netten und freundlichen Herrn. Sein Titel besagt übrigens „Generalissimus" und nichts von König; diese Würde ist auch nicht erblich, und jedenfalls wird man den Europäern wohl abgewöhncn, einen eventuellen Nachfolger „Majestät" zu nennen. Ter Manggal — so heißt der zweite König — bewohnt einen alten Tempelpalast, in dessen Empfangshalle sich zwei alterthümliche, reichgeschnitzte Throne erheben. Die Gefäße, in denen Cigarren und Kaffee umhergcreicht wurden, waren in schöner Arbeit aus Gold gefertigt, aber nicht so reich emaillirt, wie diejenigen beim Könige. ( der Vizekönig hieß Wichaichan, der Name Ter Manggal konnte nicht verifiziert werden bis jetzt)  )
Am 4. Mai besuchten wir einen großen Tempel, der in seiner ganzen Länge von einer 180 Fuß langen, liegenden Statue Buddha's ausgcfüllt ist; die Spitze der heiligen Flamme auf seinem Haupte berührt das Dach, und die ganze Statue ist vergoldet. An den Pfeilern des Vorhofes sind Marmortafeln angebracht, in welche die besten siamesischen Dichtungen eingravirt sind.

Am Nachmittag machten wir einen Ritt ins Freie, auf den kleinen munteren, siamesischen Ponies, die eigentlich aus Sumatra kommen; diese hübschen Thiere haben eine sehr angenehme Gangart, und man sagt, die Schecken sollen unter ihnen die besten sein. Abends war Diner beim Minister des Aeußern, das einen ganz europäischen Eindruck machte, und wobei es gute Musik zu hören gab, nur war die Hitze über alle Beschreibung, wie sie uns in Siam überhaupt recht nachdrücklich bewies, daß wir dem Aequator nicht gar ferne seien. Und doch habe ich hier lange nicht so darunter gelitten, wie in Indien.
Am 5. Mai früh besuchte mich ein Bruder des Königs, der sozusagen Oberbürgermeister von Bangkok ist. und dann fuhr ich zum Frühstück zum Prinzen Ongschei, dem ältesten Bruder des Königs, der aber kein Amt einnimmt. Auch hier war die Tafelmusik ganz vortrefflich. Nach dem Frühstück wurden uns gymnastische Leibesübungen vorgeführt; die Leute boxten und fochten mit langen Stangen, einer früher in Siam sehr beliebten Waffe.

Kämpfe von Menschen und Thieren lieben die Siamesen überhaupt sehr, besonders um dabei zu wetten; so sahen wir nach einander, an verschiedenen Tagen, kämpfende Käfer, Fische, Menschen, Hähne und Papierdrachen. Der Prinz schenkte uns originelle Messer, deren Griffe aus dem sehr harten, steinartigen Holz eines unterseeischen Baumes gefertigt sind.

Schließlich besuchten wir einen Tempel, in welchem die Asche des letzten Königs aufbewahrt wird. Originell sind die Fresken, in denen auch Europäer vorkommen und zwar im Kostüm Ludwigs XIV., was wohl noch eine Reminiscenz an jene Zeit ist, in welcher Frankreich und Siam einen Gesandtschaftsaustausch vornahmen. Es haben sich sogar noch französische Melodien, wenn auch in siamesischen Geschmack verändert, aus dieser Zeit erhalten. Eine von Ludwig XIV. geprägte Münze zur Erinnerung an die siamesische Gesandtschaft befindet sich im Besitz des Königs.

Neben diesem Tempel erhebt sich wohl die schönste und imposanteste Dagoba der Stadt, an den vier Ecken mit kleinen Thürmen geschmückt und von oben bis unten reich mit Porzellan belegt. So weit man kommen kann, stiegen wir auf furchtbar steilen Treppen hinauf, hatten dann aber auch eine schöne Aussicht auf die Stadt mit ihren glänzenden Palästen und Tempeln, sowie auf den breiten Strom, auf dessen Wogen sich eine Reihe stolzer Schiffe aus allen Weltgegenden schaukelt. Den Abend hatte Herr v. Krencki fast alle Konsulate und hiesigen Deutschen — darunter auch einen Mecklenburger — zum Diner im Konsulat vereinigt.

Der 6. Mai brachte uns das sehr populäre Schauspiel des bereits oben erwähnten Drachenkampfes. Nicht weit von meinem Hause hatten sich Tausende von Menschen auf einer Ebene versammelt, denn auch hier sind hohe Wetten im Gange. Es gibt zwei Arten von Drachen, die gegen einander kämpfen. Die einen, wohl acht Fuß lang und von einem starken Strick gehalten, werden die männlichen genannt, und mehrere Leute sind nöthig, um ein solches Ungethüm zu dirigiren. Die anderen, die weiblichen genannt, sind kleiner, mit einem langen Schweife versehen, und werden von einem Bindfaden gehalten.

Es kommt nun darauf an, daß der große Drache sich mit einem kleinen verwickelt. Sobald dies geschehen ist. wird an beiden gezogen. Bringt der große den kleinen über ein bestimmtes Ziel zur Erde, so hat er gesiegt, und hierzu verhilft ihm oft seine überlegene Stärke; doch vermöge seines Geflatters und Umherschießens zwingt der kleine den großen doch häufig, in seinem Bereich zur Erde zu stürzen. Manchmal machte sich der kleine auch wieder frei, und der Kampf beginnt aufs Neue.
Am 7. besuchten wir zuerst den Prinzen Ognoi, den zweiten Bruder des Königs, der alle Postangelegenheitcn unter sich hat. Er bewohnt ein hübsches Palais, wo er uns alle seine Kostbarkeiten und Waffen zeigte, die geschmackvoll in Glasschränken ausgestellt sind. Bei ihm fiel mir eine Passion der Siamesen zuerst auf, die er am meisten zu kultiviren schien, nämlich diejenige, Diplome zu sammeln; Diplome aller Art von Orden und Ausstellungen in schönen Goldrahmen bedecken die Wände. Sogar ihre Orden hängen die Siamesen, wenn sie dieselben nicht tragen, in Glasbehältcrn an die Wand, um sie doch immer vor Augen zu haben. Kaum war ich vom Frühstück aus dem Konsulate zu Hause angekommen, so erwiderte mir Prinz Ognoi den Besuch.

Am Nachmittag fuhren wir zu Boot aus einem der Kanäle nach einem Tempel, wo die Verbrennung der Leiche eines Oberpriesters und früheren Lehrers des Königs stattfinden sollte. Die Verbrennung erfolgt in Siam erst längere Zeit nach dem Tode, je höher der Rang des Verstorbenen war, desto später, beim Könige erst nach einem Jahre. Die Leichen werden einbalsamirt und in einer Urne oder einem Sarg bis zur feierlichen Verbrennung im Hause des Verstorbenen aufbewahrt.

Die Verbrennung gibt Anlaß zu einem Volksfest, welches schon mehrere Tage vor dem Verbrennungsakte beginnt und mit Theater, Illumination und allerhand Lustbarkeit begangen wird. Der dabei veranstaltete Aufwand richtet sich selbstverständlich nach dem Reichthum der Familie. Die Leiche wird auf den Verbrennungsplatz gebracht und der Sarg, dessen Boden ein eisernes Gitter bildet, unter einem kleinen Baldachin aus eine Art Altar gesetzt, in dessen Innerem der Scheiterhaufen, aus Sandelholz, verborgen ist. Ueber diesem Scheiterhaufen ist aus Stangen, Tuch, Papier und Flitter ein Gebäude errichtet, welches bei den vornehmen Personen, besonders Mitgliedern der königlichen Familie, an Pracht und Größe einem Palaste gleicht.

Bald nach uns erschien der König mit vielen Prinzen, und nach erfolgter Begrüßung nahmen wir insgesammt auf einer Estrade Platz, der König auf erhöhtem Throne unter goldenem Baldachin. Nachdem die Unterhaltung noch einige Zeit gewährt hatte, wurde Sr. Majestät eine silberne Lunte überreicht, mittelst welcher er im Rachen eines silbernen Drachen den Anfang einer Leitung entzündete, die an ihrem Ende den Scheiterhaufen in Flammen setzte. Nun begaben sich alle Freunde des Verstorbenen zum Sarge und legten kleine Bündel duftenden Sandelholzes unter denselben in die Gluth, die durch Wasser soweit beschränkt wird, daß sie blos die Leiche verzehrt, ohne, viel sichtbar zu werden. Nachdem der Verbrennungsprozeß solcher Gestalt einige Stunden gewährt, ist schließlich von dem Körper nur noch die Asche vorhanden, welche gesammelt, in eine goldene Urne gethan und in der Familiengruft ausgestellt wird. Der ganze Akt macht den Eindruck eines feierlichen Brandopfers; die lange Reihe der trauernden Freunde, die ihre Spenden den Flammen übergeben, die umhersitzenden Priester in ihren gelben Gewändern, welche in feierlichem Ton ihre Gebete absingen, während der Rauch dem Himmel zuwirbelt — das Alles trägt zur Erhöhung der Feierlichkeit bei. An die Anwesenden wurden Beutel mit Früchten vertheilt, in denen sich kleine Geldstücke befanden, auch spendete man uns noch andere Kleinigkeiten aus Silber. Am Abend wurde der Tempel sowie der zugehörige Garten glänzend erleuchtet.

Der nächste Tag. 8. Mai. war der Besichtigung des königlichen Palastes gewidmet; wie schon oben erwähnt, bildet er eine kleine Stadt für sich allein, und in seinen Mauern liegen Audienzhallen, Wohngebäude und Tempel in buntem Gemisch umher. Zuerst besuchten wir das eigentliche Schloß, die Wohnung des Königs, an dessen beiden Seiten reich mit Skulpturen gezierte alte Audienzhallen liegen. Auf einer doppelten Freitreppe steigt man zur Eingangsthür empor, nach deren Durchschreiten man eine mit Waffen geschmückte Vorhalle betritt. Links von der Vorhalle liegt der Saal, in dem mich der König empfangen hatte, und dessen Wände mit den lebensgroßen Gemälden der Könige der gegenwärtigen Dynastie, der Mutter und der Gemahlin des Königs geschmückt sind, während sich die Büsten europäischer Fürsten auf Konsolen erheben; als schönstes Stück in diesem Raum ist ein aus Elfenbein geschnitzter Lehnstuhl zu erwähnen. An diesen Saal schließt sich das Kabinet des Königs an, mit vielen Bildern, den Marmorbüsten des italienischen Königspaares und hübscher  Einrichtung ausgcstattct. Auf der anderen Seite der Vorhalle liegt der Saal, in dem sich der Staatsrath zwei Mal monatlich versammelt; die Wände dieses Gemaches sind mit Porträts von Mitgliedern des Königshauses und denjenigen hoher Staatsbeamten geschmückt.

Gegenüber der Eingangsthüre, gerade durch die Vorhalle hindurch, gelangt man in den Thronsaal, einen schönen Raum, der seine Beleuchtung durch Oberlicht empfängt: an der dem Eingang gegenüber liegenden Seite erhebt sich aus fünf Marmorstufcn der Thron, in siamesischem Stil aus Gold hergestellt und reich mit Edelsteinen verziert: darüber hängt der neunfache Sonnenschirm, welcher nur dem König und Buddha zukommt, während die anderen Vornehmen 7-, 5-, 3-, 1-fache, ihrem respectiven Range nach, führen. Die Decke hinter dem Thron, aus gelber Seide, ist von einem reichgestickten, goldenen Netzwerk überzogen und trägt in der Mitte das königliche Wappen; sie wird von goldenen, diamantglänzenden Figuren gehalten, über denen sich die funkelnde Krone erhebt.

An den Wänden stehen goldene und silberne Bäume, die alle drei Jahre von den tributpflichtigen Staaten dargebracht werden; außerdem stehen und hängen noch Staatsschirme und kostbare Waffen umher, und die schönsten mit Edelsteinen besäten Schwerter und Lanzen, Insignien der königlichen Würde, sind aus ebenso kostbaren Gestellen um den Thron gruppirt. Vom Thronsaal aus gelangt man links in das Eßzimmer und den Konzcrtsaal, rechts in die Gemächer der Königin.

Das Frühstück nahmen wir im Museum ein, in welchem einige schöne Tragstühle und riesige Elephantcnzähne besonders auffallen. Dann besahen wir die verschiedenen Tempel, die mehr wegen der Pracht und Kostbarkeit der Ausstattung als ihrer architektonischen Formen halber bemerkenswerth sind. Hauptsächlich muß der Tempel des smaragdenen Buddha, der in Wirklichkeit aus einem über zwei Fuß hohen Stück grünen Jade gefertigt ist, erwähnt werden; der Fußboden dieses Tempels besteht aus blanken Messingplatten, und die Buddhafigur steht unter einem Baldachin aus der Spitze einer goldenen, zackigen Pyramide.

Jährlich wird sie dreimal vom Könige selbst gewaschen und neu bekleidet. Vor ihr stehen zwei überlebensgroße Buddha's aus massivem Golde, deren Gewänder und Schmuckgegenstände von Edelsteinen funkeln. An diesen Tempel schließt sich eine Reihe in Glas- und Goldmosaik strahlender Dagoben an. Die eine derselben ist über und über vergoldet; sie wurde aus Deutschland bezogen und hat 10,000 Lstrl. gekostet; auch ihr Inneres ist, mit Ausnahme des Fußbodens, den ein Geflecht von Silberdraht bedeckt, ganz vergoldet.

In der Mitte steht eine kleine Dagoba, eine Reliquie Buddha's enthaltend. Ferner zeigte man uns die Grabkapelle der Prinzen, deren hintere Wand von einem Glasschrank eingenommen wird; hier ruht die Asche der Verstorbenen in goldenen, pokalartigen Urnen. Auch für jeden der Lebenden wird schon jetzt die dereinstige enge Behausung seines Staubes dort bereit gehalten.

Das größte Heiligthum ist die Hauskapelle, der Tempel des krystallenen Buddha genannt; sie ist nur mit ausdrücklicher Erlaubniß des Königs zu scheu, selbst für seine Brüder, und nur in sehr seltenen Fällen wird ihr Anblick einem Europäer zugänglich gemacht. Die ungefähr einen Fuß hohe Figur des Buddha besteht aus einem Stück Bergkrystall und wurde, der Sage nach, vor 600 Jahren von einem Jäger in einer Höhle gefunden. Auf dem Heimwege brach dem Jäger der Stab, an dem er die Figur trug, so daß dieselbe zur Erde siel und ein Ohr verlor. Der Jäger verehrte die Figur als seinen Schutzpatron, und hatte er ein Wild erlegt, so bestrich er sie mit dessen Schweiß. Als der König der Laos hiervon hörte, nahm er die Figur an sich. Nach der Eroberung dieses Landes kam der krystallene Buddha nach Bangkok. Neben diesem Tempel liegt das Haus, in dem der König seine lotägige Priesterzeit zuzubringen hatte, ehe er den Thron bestieg. Die Einrichtung desselben ist in priefterlichen Formen gehalten, aber nach dem verwendeten Material wiederum auch der königlichen Würde angemessen.

Eigentlich muß jeder Siamese eine gewisse Zeit seines Lebens als Priester zugebracht haben, doch unbedingt wird dies von jedem königlichen Prinzen verlangt und zwar zweimal je vier Monate hindurch. In Ausnahmefällen, wie dies bei dem jungen Könige der Fall war, da sein Vater plötzlich starb, kann diese Zeit abgekürzt werden. Ehe ein Prinz nicht das zweite Mal Priester gewesen ist, kann er keine höhere Rangstufe erhalten.

Es ist unmöglich, alle Tempel aufzuzählen, welche der Königsbau enthält; man konnte nicht einmal alle im Gedächtnis; behalten, die wir in schneller Aufeinanderfolge durchwanderten; die Augen schmerzten schließlich von all der blendenden Pracht. Vielleicht kam es daher^ daß der Anblick eines alterthümlichen Tempels mich geradezu wohlthuend berührte, dessen Wände schwarz gefärbt waren; von dem dunklen Untergründe hoben sich goldene Figuren, in leichten Linien gezeichnet, vortheilhaft ab. Dicht neben diesem Tempelraum befindet sich in einem anstoßenden Gemach ein vier Fuß hoher Reliquienschrein, aus einem Stück dunklen Sandelholzes geschnitzt.

Todtmüde und halb blind von all der gesehenen Pracht kehrten wir am Nachmittage nach unserem stillen Lotos-Palais zurück. Abends ward ein großes Gartenfest veranstaltet, wozu Se. Majestät fast alle Europäer, die nur irgend zugezogen werden konnten, eingeladen hatte. Sehr interessant war es nur, daß uns hierbei alle die berühmten weißen Elefanten vorgeführt wurden, über die in Europa so viel gefabelt wird. Ihre Farbe unterscheidet sich nur wenig von der grauen der gewöhnlichen Elephanten, nur müssen sie rothe Augen, weißliche Haare und weiße Zehenspitzen haben; der siamesische Name für diese Thiere dürfte etwa mit Kakerlake ( unklar, denn Albino-Elefanten heißen Chang Püak auf Thai) zu übersetzen sein.

Auch kommen rothbraune Elephanten vor, doch werden diese für nicht so werthvoll taxirt. Die weißen Elephanten werden auch nicht angebetet, sondern sie versinnbildlichen nur die Macht eines Königs, der sie vor den lüsternen Feinden zu schützen vermag, denn um den Besitz dieser seltenen Thiere wurden die meisten der blutigen Kriege geführt, die Jahrhunderte lang die fruchtbaren Gefilde der Halbinsel verwüstet und entvölkert haben.

Einer der Elephanten, die wir zu sehen bekamen, hatte prachtvolle Zähne, deren Spitzen vorne wohl drei Fuß übereinander standen, so daß man die ganze Länge eines einzelnen Zahnes gut aus 9 Fuß schätzen konnte. Bis zum Dunkelwerden wurden dann noch Fechterspiele aufgeführt. Zuletzt war Souper; für den König und die Prinzen wurde in einem besonderen Zelt servirt, wobei außer Seiner Majestät aber nur seine beiden rechten Brüder und ich saßen, alle andern Prinzen mußten stehen.

Am 9. Mai früh begaben wir uns wieder in Gala zu einer großen Ceremonie. Ein Prinz, Bruder des Königs, sollte einen höheren Rang erhalten, der ihn zur Theilnahme an dem Staatsrathe befähigt; er tritt hiermit in die unterste der fünf höchsten Rangklassen ein, deren oberste der König einnimmt. In die Halle, wo die Ceremonie stattfand, durften nur der König, der zweite König, Prinz Chao-fa-Mahamala, die Minister, die Brüder des Königs und ich eintreten, die übrigen Prinzen befanden sich draußen rechts vom Eingänge, die Edelleute an der linken Seite desselben. Nachdem der König erschienen war, verrichtete er sein Gebet vor einem kleinen Altar, dessen Kerzen er selber anzündcte.

Nun begab sich, auf den Knien rutschend, der zu erhöhende Prinz, nur mit einem weißen Lendentuch bekleidet, aus eine zu diesem Zweck im Freien vor der Halle errichtete Estrade, auf der ein goldener Kübel stand, mit dessen Wasser er sich abwusch; dann goß der König aus Gefäßen von Thon, Muscheln, Silber und Gold heiliges Wasser über ihn aus; hierauf folgten die älteren Prinzen, die Minister, die Königin und die älteren Schwestern des zu Erhöhenden. Die Ceremonie bedeutet, daß aller Schmutz seines früheren Lebens abgewaschen werden solle, ehe er in seine neue Stellung eingeführt werde. Es war dies nur ein kurzer Augenblick, in welchem ich der fürstlichen Damen ansichtig ward, da dieselben nicht in der Halle, sondern in einem anstoßenden Gemache weilten; einige der Prinzessinnen schienen recht hübsch zu sein.

Nachdem wir in der Halle unsere Plätze wieder eingenommen hatten, erschien der Prinz im
Galarock, ein grünes Blatt hinter dem rechten Ohr. Ein Schreiber  in weißem, goldgesticktem Talar verlas in näselndem, singendem Tone die Urkunde, welche über den Vollzug der Ceremonie aufgenommen war, worauf der Prinz auf den Stufen des Thrones niederkniete, vom König gesalbt und dann mit den Insignien seiner neuen Würde — Hut, Kleider, Schwert, Cigarrenkasten, Betclkasten, letzteres alles aus Gold — beschenkt wurde.

Zum Schluß hing Se. Majestät dem neuen Würdenträger einen Orden um. Nun überreichte der Prinz seinerseits Geschenke: dem Könige u. a. zwei kleine Bäumchen aus Gold und Silber. Die anderen Herren erhielten Blumen, Lichter und Goldsachen; mir wurden ein  goldener Cigarettenkasten und Riechfläschchen zu Theil. Die Hitze, welche während des Aktes in der Halle herrschte, war fast unerträglich: man mochte beinahe den Delinquenten  beneiden, der so schön kühl abgebadet wurde.

Am Abend speisten wir beim Prinzen Mahamala ( unklar, Maha bedeutet der Erhabene) und sahen bei dieser Gelegenheit auch zugleich die erste siamesische Theatervorstellung, Lakon genannt, eine Art Pantomime mit Gesang, die an Einförmigkeit nichts zu wünschen übrig läßt, und in  welcher Riesen, Affen und Könige die Hauptrollen spielen. Die Darsteller der ersteren beiden tragen, Masken, und diejenigen der Frauen- und Königsrollen haben gelblichweiß geschminkte Gesichter und lange silberne Nägel an den Fingern, was wohl andeuten soll, daß sie körperlicher Arbeit überhoben sind; die Kostüme waren glänzend und nach altsiamesischem Stil.

Der Verlauf der Handlung wird während der Pantomime in singendem Tone vorgelesen. Das Orchester, welches auf der einen Seite der Bühne aufgestellt ist, besteht aus einem Glockenspiel und anderen eigenthümlichen siamesischen Instrumenten; gegenüber auf der anderen Seite ist ein Frauenchor postirt, dessen Gesänge für ein europäisches Ohr disharmonisch klingen; die Weiber schlagen beim Singen im Takt Holzstücke an einander oder gegen einen hohlen Bambusstamm, was die Ohren, zerreißen kann. Wir sahen nur einen kleinen Theil des Theaterstückes,  es ist vom zweiten Könige der gegenwärtigen Dynastie erfunden und dauert von Anfang bis Ende sieben Tage und Nächte ohne Unterbrechung.

Der 10. Mai war zunächst der Besteigung des sogenannten, goldenen Berges gewidmet, welcher aus Backsteinen in Nachahmung, eines, einige Meilen von Bangkok entfernt liegenden Felsens aufgeführt ist und von seiner Spitze aus eine schöne Aussicht bietet. Dann besuchten wir den Tempel, in dem sich die größte sitzende Figur Buddha's in der Stadt aus Bronze befindet. Die Thüren zu dem Heiligthum sind aus einem mächtigen Stamme geschnitzt und von hervorragender: Schönheit, besonders in der naturgetreuen Darstellung von Vögeln und sonstigen Thieren des Waldes.

In einem daneben liegenden Tempel befindet sich die Statue Buddha's von seinen 80 Schülern umgeben; alle Figuren sind in Lebensgröße aus bemaltem Lehm hergestellt und in wirkliche Priesterkleider gehüllt; die ganze Gesellschaft macht einen recht unheimlichen Eindruck. An den Wänden hängen mythologische und auch christliche Bilder, z. B. die Auferweckung des Lazarus; die Stiche einer alten Berliner Parade, sowie einer Schlacht aus dem dänischen Kriege 1849 — die sich wunderlicher Weise auch unter diesen Tempelschätzen befinden — wurden als heimathliche Reminiscenzen selbstredend von uns mit Jubel begrüßt. Es ist auch noch zu erwähnen, daß in fast allen Tempeln, die wir besuchten, Tische mit Früchten und Cigarren zu unserer Erquickung von den Priestern aufgestellt waren.

Zu Tisch sah ich einige Herren bei mir, u. A. den deutschen und den englischen Konsul. Um 9 Uhr war Konzert bei der Königin angesagt; auch hier lernten wir vorwiegend siamesische Instrumente und Melodien kennen. Beide Majestäten waren wiederum die Liebenswürdigkeit selbst, und nach längerer lebhafter Unterhaltung führte uns der König in die Zimmer, in welchen er alle seine Kuriositäten und Krönungskleinodien ausgestellt hat — eine Ehre, die er bisher noch niemals einem Besucher erwies.

Die ganze Sammlung ist praktisch und übersichtlich in Glasschränken aufgestellt und birgt einen kaum zu schätzenden Werth an altem Porzellan, goldenen Gefäßen und Juwelen. Prachtvoll ist die goldene, künstlich emaillirte Toilette der Königin. Bei dieser Gelegenheit gab mir der König ein geschmackvolles Thee- service und Rauchutensilim aus Silber mit eingeschlagenen Goldverzierungen zum Geschenk, eine Arbeit, die nur in Siam gefertigt wird; außerdem noch kleine vergoldete Wachsfiguren und das Modell einer Staatsbarke. Da sich die Königin früher zurückzog, blieb ich nach dem Souper mit Sr. Majestät allein, und wir unterhielten uns nunmehr ohne Dragoman, wobei der König sich auf das Eingehendste nach den deutschen und besonders unseren mecklenburgischen Verhältnissen erkundigte. Erst nach 1 Uhr entließ er mich.

Am 11. aßen wir beim Kriegsminister; vorher hatten wir ein tüchtiges Gewitter mit Regenstürmen gehabt. Auf der Hinfahrt rannte unser Fahrzeug mit einem andern Boot zusammen, wobei mir ein großer Klotz an den Kopf flog — doch ohne Nachtheil, da sich mein Kopf härter erwies als das Holz. Nach Tisch bestiegen wir einen kleinen Raddampfer, von dessen Mast stolz die mecklenburgische Flagge wehte — eine Aufmerksamkeit, die mir überhaupt die ganze Zeit über in Siam erwiesen wurde —, und fuhren die Nacht hindurch den Fluß hinunter, um in Petschebori den Sommeraufenthalt des Königs zu besuchen.

Am 12. behielten wir bei der Fahrt übers Meer die ganze Zeit ,das Land in Sicht und gelangten Nachmittags an die Mündung des Petschebori- Flusses. Mit großer Mühe und vielem Schieben kamen wir endlich über die Sandbank, welche die Mündung sperrt, in den Fluß hinein. An den Ufern wechseln prächtige Bambusdickichte mit Tempeln und größeren Ortschaften ab, deren braune Bevölkerung den Fluß auf leichten Booten belebt. Gegen Abend langten wir an der Landungsstelle an und setzten die Reise zu Fuß fort, was trotz der durchweichten Reisfelder ein Genuß war nach der höchst ungemüthlichen Wasserfahrt.

Doch gaben wir zuletzt der hereinbrechenden Nacht und dem überhandnehmenden Schmutz und Regen nach und bestiegen unsere Ponies, die uns denn auch nach einer Stunde, völlig durchweicht, zum Hause des Gouverneurs brachten. In Ermangelung anderer Bekleidung — unsere Sachen waren noch nicht nachgeschafft — bestand unser Kostüm beim Diner aus leinenem Rock und dem malaischen Surang, einer Art Frauenrock, der bis auf die halbe Wade reicht — wie man sieht, nicht viel. (die Thais nennen dieses Kleidungsstück Pakama )

Am 13. Mai ruhten wir uns aus, ritten dann durch den Ort und sahen einem Wettfahren zu, das mit Ochsenkarren, in der Art der altrömischen Bigen, veranstaltet wurde. Die gehörnten Zugthiere laufen ausgezeichnet und werden mit einer langen Stange vom Wagenlenker angestachelt. Ebenso interessant und wohl noch aufregender waren die Faustkämpfe, die sich dem Rennen anschlossen. Als Kämpfer präsentirten sich meist prachtvolle Gestalten voll Kraft und Gewandtheit. Das nach Hunderten zählende Publikum wettet natürlich und ist Feuer und Flamme bei dem Schauspiel. Beide Wettspiele wurden an den nächsten Tagen wiederholt.

Am 14. Mai sollte ich etwas sehen, wie man es sich wohl beim Anhören eines schönen Märchens oder im Traume ausmalen kann, nie aber als wirklich auf dieser prosaischen Erde für existirend und möglich gehalten hätte. Nicht weit vom Orte liegt ein dicht bewaldeter Berg. Schon mit den ersten Schritten, die man auf dem ansteigenden Pfade macht, fühlt man sich in ein Zauberland versetzt. Alte knorrige Bäume breiten ihre schattigen Zweige über den felsigen, dicht überwucherten Grund, während, wie zum Willkommen von zarter Elfenhand, Tausende von weißen, duftenden Blüthen auf den Weg gestreut find. Plötzlich, nachdem wir um eine Ecke geboen sind, liegt eine saftig grüne Wiese vor uns, rings von uraltem Laubwald umgeben, der die umschließenden Felsen bedeckt. Wir schreiten über die Wiese hinweg und machen noch einige Schritte durch das dichte Gebüsch; da thut sich vor uns tief unten ein Felsenthor auf, zu dem man auf schlüpfriger Treppe hinabsteigt. Doch schlüpfen wir bescheiden durch ein verfallenes Hinterpförtchen, in diese geheimnißvollen unterirdischen Räume, wie es dem Sterblichen ziemt, wenn er den Palast der mächtigen Erdgeister betritt. 

Tief mußte man sich beim Eingang bücken, ist man hindurch, so steht man in einem hohen dunklen Raum; doch vor uns wird es hell. Auf abfallender Bahn gelangen wir in eine weite, aus Stalaktiten gebildete Halle, in die durch eine breite Spalte eine Kaskade von Geröll, grünenden Ranken und Sonnenstrahlen hinunterzustürzcn scheint. Als Gegenstück dazu erblicken wir in einer nur schwach erhellten Nische einen „steinernen  Wasserfall", der bläulich schimmernd stets von geisterhaftem Licht erhellt ist. Uralte Götterbilder schmücken die Wände.

Doch dies ist nur die Vorhalle; wir durchschreiten ein kleines Pförtchen und stehen in einem hohen und weiten Saal, wie ihn auch nicht die kühnste Phantasie eines menschlichen Baumeisters erdichten könnte, und in dem die weihevolle Stimmung eines Tempels herrscht. Durch eine Oeffnung hoch oben jm Gewölbe schimmert das Tageslicht, den weiten Raum erhellend, doch bleiben die äußersten Theile in geheinmißvolles Dunkel gehüllt. Uns gegenüber thront Buddha in gigantischer Größe als Beherrscher dieses Reiches. An der linken Längswand erheben sich drei alterthümliche Dagoben und eine Reihe anderer Buddha-Statuen. Auf der rechten Seite liegt der Haupteingang, zu dem einige verwitterte Stufen emporführen. An ihrem Fuße erhebt sich ein Steinbild, einer erstarrten menschlichen Figur gleichend. Mit der Außenwelt steht der Raum durch ein Säulcnportal in Verbindung, durch dessen Bögen wir wieder zur grünenden, blühenden Natur emporklimmcn. Doch konnte ich mich lange nicht von diesen großartigen Hallen trennen, deren Anblick mich so wunderbar ergriffen hatte.

Am Nachmittag besichtigten wir das Schloß, welches der verstorbene König sammt einer Dagoba und einem Tempel auf den drei Spitzen eines Berges erbaut hat. Die Aussicht ist schön auf die weite Ebene, die auf der einen Seite vom Meere, auf der andern von schroffen Felsen umgeben wird. Am 15. besuchten wir noch eine andere Höhle, in der aber nicht viel zu sehen war, da tiefe Dunkelheit darinnen herrscht; sie erstreckt sich so tief in den Berg, das man noch nicht ihr Ende gefunden hat.

Am 16. früh ritt ich nochmals mit Prinz Diß nach meinem unterirdischen Zauberschloß, um noch einmal in voller Ruhe alle seine Wunder auf mich wirken zu lassen. Dann ging es Nachmittags wieder an Bord, und wir fuhren den Fluß hinab. Das Verdeck sah von den Geschenken der Landbewohner, die uns gespendet worden, wie ein Gemüsemarkt aus. Nachdem wir eine kurze Strecke über das Meer zurückgelegt, kamen wir des Abends bis zur Mündung des Maklon-Flusses. (Mae Khlong)

Am andern Morgen störte man uns schon früh aus dem besten Schlafe, weil der Gouverneur der Stadt Maklon, (Mae Khlong, Provinz Samuth Songkhram) eine Erscheinung von pyramidalem Embonpoint (Kugelbauch) , seine Staatsvisite abzustatten kam; diese Stadt ist als Geburtsort der siamesischen Zwillinge eine internationale Berühmtheit geworden. (sie waren 1870 in Deutschland und wurden Dr. Virchow vorgestellt.  Die Zwillinge verstarben 1874 im Alter von 63 Jahren)

Dann ging es den Fluß weiter hinauf, der einer der schönsten der Erde sein soll; die prachtvollsten Wälder von Kokospalmen begleiten ihn auf beiden Seiten und lassen ihre Federkronen im Winde rauschen. Doch auch hier gewahrt man zahlreiche Tempel und volkreiche Ortschaften. Gegen Abend kamen wir in Roosborie (Ratchburi)  an und nahmen wiederum in einem Palais des verstorbenen Regenten Quartier, in welchem dieser seiner Zeit die Hälfte des Jahres zuzubringen pflegte.

S. schlief sogar in seinem Bett. Mein Zimmer erhob sich frei über das flache Dach des Hauses mit reizender Aussicht nach allen Seiten, besonders auf die nicht hohen, aber schön geformten und bewaldeten Berge. Sonst war der Aufenthalt in Roosbori nicht sonderlich kurzweilig; Abends jedoch wurde uns regelmäßig ein Lakon vorgeführt, der als Schauspiel an sich recht hübsch und interessant war, wenn nur nicht die Begleitungsmusik unsere Trommelfelle in allzu bedenkliche Schwingungen versetzt hätte. Ein Mal ward auch ein Wettlaufen veranstaltet, wobei besonders ein Race zwischen zwei kleinen ganz nackten Jungen großen Jubel bei den Zuschauern erregte.

Nachdem wir auf der Rückfahrt noch einen kleinen Sturm zu bestehen gehabt, kamen wir am 21. früh glücklich wieder in Bangkok an.

Am 23. Mai ward uns daselbst wiederum das Schauspiel der feierlichen Rangerhöhung eines Prinzen geboten; oft vergehen Jahre, ohne daß ein solcher Akt vorkommt, während uns der Zufall gestattete, zwei solchen Ceremomen beiwohnen zu können. Ich erhielt diesmal eine durchbrochene sehr hübsche Kassette aus vergoldetem Silber. Am Abend, dem letzten in Bangkok, gab Prinz Ognoi mir zu Ehren eine große Soiree, zu der sich die schönen Räume feines Palais besonders eigneten.

Wir fuhren auf einem Boot hin, und vor dem Hause ward bei unserer Ankunft ein großartiges Feuerwerk abgebrannt, dessen Rauch vom Winde leider in die Fenster hineingetrieben wurde. Oberhalb der Treppe prangte das mecklenburgische Wappen, meisterhaft in Blumen ausgeführt, und kleine Mädchen streuten mir beim Eintritt Blumen auf die Stufen; auch hing man mir eine Guirlande, aus Goldflitter und stark duftenden Blumen geflochten, um die Schultern; an allen Säulen hingen Fahnen, in den siamesischen, deutschen und mecklenburgischen Farben, und auf dem Souper-Tisch erschien wieder mein Wappen, ganz reizend in Blumen ausgeführt.
Bei Tisch brachte Prinz Ognoi mein Wohl aus, was ich mit einem Hoch auf König Chulalongkoru erwiderte. Besonders hübsch war es, daß ich an diesem Abend Gelegenheit hatte, mit allen deutschen Landsleuten, die sämmtlich geladen waren, bekannt zu werden.
Am Morgen des 24. Mai sandte mir mein besonderer Freund, Prinz Mahamala, sehr schöne Lakon-Masken — König, Riese und Affe — zum Geschenk, und dazu einen kleinen Elephanten in trefflicher Nachbildung aus Thon.

Dann ließen wir uns von einem der Prinzen, der die Kunst des Photographirens als Amateur betreibt, aufnehmen und zogen dazu das siamesische Gala-Kostüm an, das uns der König geschenkt hatte. Der Anzug, welchen ich erhalten hatte, und wie ihn die Prinzen des siamesischen Königshauses wagen, besteht aus einem einreihigen Waffenrock nach  europäischem Schnitt von bunt gemustertem indischen Goldbrocat, am Kragen und auf den Aermel- aufschlägen mit goldenen Schnüren verziert; dazu gehört ein blauseidener Surang, ein langer Zeugstreifen, welcher, geschickt um den Unterkörper geschlungen, eine elegante Kniehose bildet; ferner Schuhe und Kniestrümpfe nach europäischer Mode. Die Kopfbedeckung ist der anglo- indische Korkhelm, mit weißem Tuch überzogen und goldbordirt; die fürstliche Auszeichnung an demselben besteht aus einer echt goldenen Spitze in reicher siamesischer Arbeit.

Mittags verließen wir ganz traurig unser Lotos-Palais, in dem wir so hübsche Tage verlebt hatten. In zwei Tagen sollte nämlich bei Ajutia (Ayutthaya) der berühmte Elephanten-Fang beginnen, der, nur alle 5 bis 6 Jahre stattfindend, kein zweites Mal auf der ganzen Erde in so großartigem Maßstabe wie hier vorgenommen wird. Ich folgte deshalb mit besonderem Dank der Einladung des Königs, diesem Ereigniß beizuwohnen, an welchem nicht nur die Majestäten selbst mit allen Prinzen und dem ganzen Hofstaat Theil nehmen, sondern zu dem auch die Europäer in Menge hinströmen.

Den Menam  hinauf fahrend, kamen wir schon bei Dunkelheit unter strömendem Regen in Bangparain (Bang Pa In) , einem Sommeraufenthalt des Königs, an. Die Fahrt ging nicht ohne Hindernisse ab; wir blieben einmal im Fluß stecken, kamen jedoch wieder frei, während die Königlichen Damen mit ihrem Schiff die ganze Nacht auf derselben Sandbank sitzen mußten.
Eine freundliche Villa des Prinzen Mahamala am Fluß ward uns zur Wohnung angewiesen; daneben lagen einige Hütten, in denen wir die Siamesen in ihrem häuslichen Leben beobachten konnten.

Am 25. machten wir früh eine Bootsfahrt, wobei wir an einem Tempel vorbeikamen, der merkwürdiger Weise im gothischen Stil erbaut ist.
(Wat Nivet Thammaprawat  1878 von Joachim Grassi erbaut)

Am Nachmittage schickte der König nach uns und empfing uns mit seiner Gemahlin in seinem Privat-Pavillon, ganz im Innern des Palastes. Die beiden Majestäten waren wiederum überaus charmant und auch die beiden kleinen Prinzen waren während des Besuches anwesend. Dann führte uns der König durch das Palais, das ganz aus dem schönen Teak-Holz erbaut und vor noch nicht langer Zeit vollendet ist ; schließlich bestiegen wir einen Aussichtsthurm, zu dessen Spitze 99 Stufen hinanfführen. An derselben Stelle standen schon in alter Zeit die Sommerpaläste der Könige von Ajutia, zu deren Andenken der König mitten in einem nahegelegenen Teich einen reich und kunstvoll in siamesischem Stil geschnitzten Pavillon hat errichten lassen.

Den 26. früh fuhren wir, wie auch die folgenden Tage, nach Ajutia, um jedes Mal des Abends wieder nach Bangparain zurückzukehren. Die Entfernung ward mit einem guten Dampfer innerhalb 1/2 Stunden zurückgelegt. Ajutia ist die alte Hauptstadt des Landes; doch als sie im vorigen Jahrhundert von den Birmanen zerstört worden war — wobei auch der König das Leben verlor — verlegte der erste König der neuen Dynastie die Residenz nach Bangkok.

Zuerst besuchten wir einen Tempel, dessen riesenhafte sitzende Buddha-Statue das Dach mit ihrem Haupte berührt. Er ist einer der heiligsten im Lande; sogar das Wasser, das an ihm vorbeifließt, gilt für heilig, und man besprengt sich damit den Kopf jedes Mal, wenn man am Tempel vorüberfährt; das soll Glück bringen. Statt mit Gemälden sind die Wände dieses Tempels mit dichten Reihen kleiner Nischen bedeckt, deren jede einen kleinen Buddha birgt. Von der Decke hängen Weihefahnen herab, deren Zeichnung auffallend an die der mittelalterlichen Bilder erinnert. Uebrigens weisen die Tempel von Ajutia Säulen auf, während die Decken derjenigen in Bangkok von Pfeilern getragen werden. Dann besuchten wir das älteste Heiligthum der Stadt, dessen Alter dem der Stadt gleichkommt und auf 600 Jahre geschätzt wird. Die Dagoba erhebt sich hier in der Form eines hohen Thurms, um dessen Spitze alljährlich ein weißes Weihetuch geschlungen wird. An den Seiten des Thurms befinden sich Nischen mit heiligen Statuen von hohem Alter.

Um 4 Uhr begaben wir uns den Anweisungen des Prinzen Mahamala gemäß — von welchem oben schon erwähnt ist, daß er der Kommandeur der Elephanten sei — nach dem „Tang", einem von starken Mauern umgebenen quadratischen Raum; damit die Thiere nicht an die Mauern kommen können, sind zehn Schritte von diesen starke Baumstämme als Pallisaden-Zaun eingerammt. Ebensolche Stämme bilden den „Trichter", durch den das Wild in den Fang geleitet wird, und dessen offene Seite dem Fluß zugekehrt ist. Schon Monate vorher beginnt man damit, die wilden Elephanten aus dem Innern des Landes zusammenzutreiben, was vermittelst zahmer geschieht, deren Reiter sich auf alle nur denkbare Weise zu verstecken suchen.

Auf der andern Seite des Flusses erstrecken sich Felder, die in der Entfernung von circa einer englischen Meile vom Walde begrenzt werden. Endlich schiebt sich langsam aus dem Schatten des Waldes eine graue Masse hervor. Es sind Alles in Allem 245 wilde Elephanten, von über 50 zahmen umgeben und von einem Leit- Elephanten geführt. Nur langsam gelangt der Zug vorwärts, da die wilden Thiere nicht immer Lust bezeigen, die bestimmte Richtung festzuhalten.

Es war ein eigenthümliches Bild, als sich die ganze Herde vom hohen Ufer in den Fluß hinunter schob. Einige kleine Elephanten machten dabei oft ganz possirliche Sprünge, wenn sie von einem großen etwas unsanft hinunter befördert wurden. Nach einiger Zeit war es gelungen, die ganze Herde durch den Fluß und in den Trichter zu leiten; und nun begann ein Toben, Drängen und Drücken dieser Kolosse mit ihren erhobenen Rüsseln, und dazu ein Zetergeschrei, das; man glauben sollte, es würde Alles zu Mus gedrückt werden.

Eine Reihe zahmer Elephanten schob hinten nach, ein anderer leitete vorn und führte sie durch den engen Eingang in den Fang. Da durch den Eingang immer nur einer zur Zeit durchkommen kann, so begab sich dort die tollste Balgerei, denn meist wollten mehrere Thiere auf einmal oder auch keines zuerst durch, oder eines, das schon halb durch war, kehrte auf einmal wieder um; doch wurde es dann meist mit doppelter Gewalt von den Nachdrängenden wieder zurückbefördert. Nach tüchtigem Schieben und Puffen war endlich die ganze Gesellschaft eingesperrt und konnte sich für diesen Abend beruhigen. 

Ein Elcphantcn- Küken war aber doch zu arg mitgenommen und starb die Nacht. Dafür wurde aber über Nacht ein anderes geboren, das dann mit rührender Liebe von seiner Mütter und zwei alten Tanten gegen etwaige Rücksichtslosigkeiten der nicht zur Familie gehörenden Unholde geschützt wurde.

Der 27. Mai war der Haupttag des Festes, denn ein solches ist für Siamesen der Elephantenfang. Die Mauern rings um de Fang, iu welchem die Elephanten nun ihres Schicksals harren, sind dicht mit Menschen besetzt; an der dem Eingang gegenüber liegenden Seite liegt die königliche Loge, daneben diejenige für die Prinzen, in welcher sich auch die Konsuln einfinden.

Die Majestäten kommen mit großem Gefolge, Militär und sogar zwei Kanonen marschiren vorauf; die allerhöchsten Herrschaften sitzen auf offenen Sänften, die von acht Leuten getragen ^werden; beim Könige haben noch drei seiner Kinder Platz genommen. Se. Majestät begrüßt uns sehr freundlich, und nachdem er in der Hofloge Platz genommen, beginnt das Fangen.

Durch den Eingang neben der Loge reiten mehrere Elephanten-Fänger ein, deren Thiere die schönsten Stoßzähne aufweisen. Bei dem ersten Anblick derselben ziehen sich die wilden Elephanten in die andere Ecke des Platzes zurück und werden dann von dort drei Mal um den Platz getrieben, damit man diejenigen aussuchen kann, welche man fangen will. Den auserlesenen werden starke Seile aus Büffelhäuten um die Hinterfüße geschlungen, was natürlich nicht ohne unsanfte Püffe abgeht. Auch verstecken sich die besten Thiere, sobald sie merken, daß man es auf sie besonders abgesehen hat, meist in der Mitte der Herde. Nachdem drei bis vier Elephanten festgemacht worden, wird die übrige Gesellschaft durch die Pforte neben der Loge auf eine Wiese Hinausgetrieben, damit sich die Thiere durch ein Flußbad erfrischen können; hierbei spielt sich wieder dieselbe tumultuöse Scene ab, wie am vorhergehenden Tage beim Eintreiben.

Die angebundenen Elephanten werden sich erst jetzt, da ihre Kameraden sich entfernt haben, dessen vollbewußt, daß sie in Knechtschaft gerathen sind, und sie geben sich unter Zetergeschrei die größte Mühe, frei zu kommen, wobei auch einige von ihren Leidensgefährten ihnen zu helfen bemüht sind; einer brachte es richtig fertig, sich loszureißen, und mehrere andere hatte man nicht anbinden können, da sie sich immer die Schlinge vom Fuße lösten. Als nach dem Frühstück der König weggefahren war, ereignete sich noch eine sehr drastische Scene. Ein kleiner Elephant war ausgekniffen und unter die Zuschauer gerannt, mit denen er sich dann zwischen den Pfählen umherjagte; des Nachts wurde er wieder wild, zertrümmerte ein Boot, das er besteigen wollte und tödtete dabei einen Menschen.

Am Abend vereinigten wir uns mit einigen deutschen Familien, die auch zum Fang gekommen waren und in einem Tempel wohnten, zum Diner, das sehr angenehm verlief. Am 28. wurden wieder einige Elephanten eingefangen, aber diesmal auf dem freien Platz hinter der Loge, was eigentlich ein hübscheres Schauspiel gewährte, da die Thiere mehr Freiheit hatten; einige der Kolosse, die dicht an die Loge herankamen, fütterten wir mit Bananen. Ein junger, sehr schöner Elephant machte sich fünf Mal los, ehe er gefesselt werden konnte, und ein anderer wurde im Gedränge erdrückt. 
Am Davonlaufen wurden die Elephanten durch einen Kreis Zahmer verhindert, deren Reiter lange Lanzen führten.

Leider wurde bei dieser Jagd kein weißer Elephant gefangen, wie dies vor 6 Jahren der Fall gewesen ist. 

Am Nachmittage empfing mich das Königspaar in feierlicher Abschieds-Audienz in Bangpain,  ein Galadiner, das beabsichtig war, konnte leider nicht stattfinden, da mein Schiff seine Abfahrt um einen Tag verfrüht hatte.

Um dem König eine Aufmerksamkeit zu erweisen hatte  ich sammt meinen Begleitern das siamesische Gala-Kostüm angelegt, worüber er sich sehr zu freuen schien. Beide Majestäten schenkten uns ihre Photographien.  Dann nahmen wir Abschied und der König gab uns noch durch den ganzen Garten das Geleite.  Auch verabschiedeten wir uns hier von den Prinzen, soweit das nicht schon am Morgen nach der Jagd geschehen war.

Den 29. Mai brachen wir schon des Morgens um ½ 5 auf, so daß wir Bangkok um 10 Uhr erreichten. Im Konsulat erwartete uns der Minister des zweiten Königs, der mir zum Abschied noch ein silbernes Gefäß von seinem Herrn brachte.  Nachdem hier das letzte Frühstück auf siamesischem Boden eingenommen worden, bestiegen wir nachmittags um ½ 3 Uhr den Steamer „Radjanath“  - so genannt wie der Botschafter, der vor einigen Jahren seiner Majestät dem Kaiser Wilhelm den siamesischen Orden nach Koblenz gebracht – und nahmen aufrichtig gerührten Abschied von den  freundlichen siamesischen Herren, besonders vom Prinzen Diß,  der uns nun durch 4 Wochen so ein liebenswürdiger  und treuer Führer gewesen war.

Noch lange winkten die Herren uns von ihrer kleinen Dampfbarkasse Abschiedsgrüße zu. Während unser Steamer, von dessen Top wieder die mecklenburgische Flagge wehte, den Fluß hinunter dampfte.
Der in Siam verbrachte Maimonat wird mir unvergeßlich bleiben, sowohl wegen des äußerst interessanten Landes, als auch wegen seiner liebenswürdigen Bewohner, denen ihr König in allen guten Dingen als leuchtendes Vorbild vorangeht.


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Der Gegenbesuch des Königs fand am 30. August 1897 statt, anläßlich seiner Europareise besuchte der Monarch den Herzog in Willigrad. Von diesem Besuch gibt es nur eine kurze Zeitungsnotiz.

Ausführlich dokumentiert mit Fotos sind dann die nächsten beiden Treffen:  Vom 11. bis 13. August 1907 weilte der König in Braunschweig, das herzogliche Paar dann vom 26. Januar bis 10. Februar in Bangkok.  Johann Albrecht war von 1907 bis 1913 Herzogregent in Braunschweig.

Von diesem Blog gibt es auch einen Vortrag.